Freitag, August 27, 2010

Pseudo-Emanzipation

Update: Ich habe inzwischen eine überraschend rasche Antwort von Barbara Steffens erhalten in der sie erklärt, dass sie dies nicht gesagt habe, und ihre Aussage in dem Artikel missverständlich, da verkürzt, wiedergegeben wurde. Es tut mir leid, wenn ich jemandem mit diesem Posting auf die falsche Fährte gebracht haben sollte. Ich lasse den ursprünglichen Text der Vollständigkeit halber im Folgenden stehen, er ist aber nun mit der entsprechenden Vorsicht zu lesen.

In Nordrhein-Westfalen ist seit der Regierungsbildung Barbara Steffens (Grüne) die Ministerin für (unter anderem) Emanzipation. Die hat jetzt, laut SZ von heute (Seite 2), verlauten lassen, dass es in ihren Augen okay ist wenn nur Männer durch einen Pflichtdienst in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Zitat: "Bei aller Emanzipation, Frauen kriegen eben Kinder."

Ich verstehe einfach nicht, warum manche Menschen ein derart negatives Bild von Gerechtigkeit haben. Das ist ein Gerechtigkeitsverständnis bei dem man, um Martins Beitrag zu unserer gestrigen Mittagsdiskussion zu zitieren, in Europa Menschen hungern lässt, weil ja schließlich in Afrika auch Menschen hungern.

Pflichtdienst mit Schwangerschaft gleichzusetzen ist einfach nur zynisch. Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, in der keine Frau unfreiwillig schwanger sein muss. Gleichzeitig beteiligen sich Männer zunehmend an der Erziehung, und der Schutz für schwangere Frauen ist erheblich. All das sind Errungenschaften, die in den letzten Jahrzehnten hart erkämpft wurden und unsere Welt besser machen.

Zumindest dieses eine Grünen-Mitglied hat da gerade innerlich mindestens 30 Jahre gesellschaftlichen Fortschritts zurückgedreht. Ich hoffe, dass diese Art von Unfug bei den Grünen nicht noch weiter verbreitet ist, von denen bin ich nämlich eigentlich Besseres gewohnt.

(Übrigens, zum Thema Sozialdienste - denn nur deshalb wird überhaupt semi-ernsthaft über Pflichtdienste geredet: All das wäre gar kein so großes Problem, wenn die Politik sich aus der selbstverschuldeten neo-liberalen Unmündigkeit befreien würde; die Kapazität an Arbeitskräften ist ja in jedem Fall da. Aber bis dahin liegt leider noch ein weiter Weg vor uns.)

Montag, August 23, 2010

Huxley vs. Orwell

Ich bin soeben über einen humorvoll beunruhigenden Vergleich von Schöne neue Welt und 1984 in Comicform gestolpert.

Er regt zum Nachdenken an. Die Schlussfolgerung, nicht Orwell sondern Huxley habe Recht behalten, ist aber meines Erachtens mit Vorsicht zu genießen. Angesichts des Terrors um Überwachung und Datensammlung hat sich "1984" immer mehr zum Symbol eines totalen Überwachungsstaates entwickelt. Dabei hat 1984 weitere wichtige Aspekte zu bieten: die perverse Umdefinierung von Begriffen, das Entfernen oder Fälschen von Geschichtsschreibung, und ganz allgemein der Einsatz manipulativer Rhetorik zur Verblendung der Gesellschaft.

Diese Techniken sind heute allgegenwärtig. Weder Huxley noch Orwell haben unsere Zeit allein richtig vorhergesehen. Vielmehr erleben wir Geschmacksproben beider Werke, wobei zum Glück noch keines der beiden vollständig eingetreten ist.