Der Bologna-Prozess ist toll. Studiengänge werden vergleichbar (wer's glaubt wird selig), der internationale Austausch wird einfacher (der hat auch schon einen Bart) und Studenten werden besser aufs echte Leben vorbereitet (was für eine Art der Vorbereitung wollen wir eigentlich?). Vor allem hat die Politik aber Angst vor Langzeitstudenten und will die deshalb loswerden.
Tut mir leid, wenn ich etwas zynisch bin, man kann das Ganze schließlich auch positiver formulieren. In der Tat steht man mit Beginn des Studiums vor einer großen Herausforderung. In der Schule wurde einem noch gesagt, wo's langgeht. In der Uni muss man sich den Weg selbst suchen. Und, Hand auf's Herz, vielen fällt das schwer. Manche schaffen es gar nicht, und bei vielen führt es dazu, dass sich das Studium ungewollt in die Länge zieht.
Einige der Akteure, die die neuen Studiengängen mit geplant haben, haben deshalb die sogenannte Assessment-Phase eingeführt (es mag noch andere Gründe für die Assessment-Phase geben, aber die will ich im Moment außen vor lassen). Es handelt sich dabei um ein verkürztes Grundstudium, das in den ersten beiden Semestern abgeschlossen werden soll.
Um dieser Forderung den nötigen Nachdruck zu verleihen, wurden Disziplinarmaßnahmen geschaffen. Wer die Veranstaltungen der ersten zwei Semester nicht innerhalb der vorgesehen Zeit erfolgreich mit entsprechenden Klausuren abschließen kann, bleibt sozusagen sitzen. Er darf noch einige wenige Veranstaltungen aus den höheren Semestern belegen, aber danach muss er solange warten, bis er seine Assessment-Phase abgeschlossen hat.
Den Planern der neuen Studiengänge erschien dies als geeignetes Mittel, die Studenten vom "Schlendrian" fernzuhalten (mit Gruß an den schlechtesten Dozenten, den ich jemals erlebt habe...).
Leider behindern sie damit auch Studenten, die ihr Studium gewissenhaft anpacken. So zum Beispiel der Fall eines Studenten, der im zweiten Semester eine Klausur wegen Krankheit nicht mitschreiben konnte. Alle anderen Klausuren hatte er problemlos bestanden, doch da es zu dieser einen Klausur keine Nachklausur gab, konnte er seine Assessment-Phase nicht in den ersten zwei Semestern abschließen. Er war ein guter Student, aber auf Grund der oben genannten Disziplinarmaßnahmen durfte er in seinem vierten Semester keine weitergehenden Veranstaltungen mehr belegen. Nur die Assessment-Phase konnte er endlich abschließen. Die fehlenden Veranstaltungen aus dem vierten Semester wird er im sechsten nachholen müssen, und so weiter.
Die Folge: Ohne eigenes Verschulden wird sich sein Studium vermutlich um ein Jahr verlängern.
Vielleicht können wir daraus eine Lehre auf der Meta-Ebene ziehen. Das Ziel der Macher dieses neuen Studiengangs war, die durchschnittliche Studienzeit zu verkürzen. Dazu führten sie ein negatives Anreizsystem ein: Wer die Zeit nicht einhält, wird bestraft. Und ein paar "Unschuldige" werden gleich mitbestraft. Vielleicht sollte stattdessen über ein positives Anreizsystem nachgedacht werden: Wer die Regelstudienzeit einhält, wird belohnt. Schon der psychologische Effekt ist ein viel besserer: Ein positives Anreizsystem stellt die Studenten nicht unter Generalverdacht.
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