Nachtrag: Hier ist ein sehr ausführlicher und empfehlenswerter Artikel, der sich mit der Diskussion um S21 auseinandersetzt. Einige der Contra-Argumente sind zwar eher contra S21 in seiner jetzigen Form und könnten im Prinzip ausgeräumt werden wenn man nur wollte, aber gerade deswegen wird um so klarer, dass ein Baustopp, eine ruhige Diskussion ohne Astroturfer, und danach ein Volksentscheid notwendig sind. So, und jetzt mein unveränderter ursprünglicher Kommentar.
... soll Schtuegart unterirdisch werden. Vorläufig ist jedoch erstmal nur die Politik der CDU unterirdisch.
Eigentlich dachte ich, ich halte mich zum Thema Stuttgart 21 zurück da schon genügend Senf im Umlauf ist. Aber es will partout nicht verschwinden, und die jüngsten Ereignisse, bei denen sich die Regierung mit dem Gestus der herrschaftsgewohnten Militärdiktatur gibt, sind wirklich unglaublich. Daher will ich doch kurz die Gedanken, die ich dazu seit längerem in mir trage, aufschreiben.
Zunächst zur Sache an sich. Ich sehe drei potentielle Probleme des Projekts Stuttgart 21.
1. Es erscheint mir etwas suspekt, dass der zukünftige Bahnhof nur 8 Gleise haben soll angesichts der 16 Gleise des heutigen Stuttgarter Bahnhofs. Natürlich läuft die Abfertigung der Züge in einem Durchgangsbahnhof flüssiger, aber jeder weiß, dass es im Bahnbetrieb zu Ausfällen kommt. Vielleicht muss an einer Oberleitung etwas repariert werden, vielleicht hat sich jemand vor einen einfahrenden Zug geworfen. Aus welchem Grund auch immer, Gleise müssen zeitweise gesperrt werden, und dann sollten Ausweichkapazitäten vorhanden sein.
Genau kann ich das zwar nicht beurteilen, weil ich keine Statistiken zur Belastung und Gleisschwierigkeiten in Durchgangsbahnhöfen habe, aber gerade bei einem so großen Infrastrukturprojekt sollte man nicht am falschen Ende sparen. Schließlich sollte der neue Bahnhof - so er denn gebaut wird - idealerweise die nächsten 100 Jahre oder länger ohne all zu aufwendige Umbau- und Renovierungsmaßnahmen brauchbar bleiben.
2. Ich kann verstehen, dass die Stuttgarter nicht ihr Stadtarchiv verlieren wollen. Wenn an der Theorie der Schwierigkeiten beim Tunnelbau und anderen Schlampereien etwas dran sein sollte, so muss das unbedingt korrigiert werden, auch wenn es die Kosten des Projekts erhöhen würde. Ich kann das selbst schlecht beurteilen, aber es spricht nicht gegen das Projekt an sich.
3. Es gäbe wohl im Eisenbahnnetz andere Stellen, an denen man mit der gleichen Geldmenge sinnvollere Verbesserungen erzielen könnte.
Dann argumentieren manche noch rein grundsätzlich mit den großen Kosten des Projekts, aber diese Argumentation ist angesichts der Tatsache, dass wir uns in einer Wirtschaftskrise befinden, die durch fiskalische Impulse beendet werden könnte, ziemlich kurzsichtig. Zwar wären diese Impulse nicht gerade im reichen Süden Deutschlands notwendig, aber dieses Argument fällt eher unter Punkt 3.
Punkt 3 ist jedoch nicht, weshalb die Stuttgarter auf die Straße gehen, und die anderen Kritikpunkte sollten sich problemlos klären lassen. Von daher kann ich ehrlich gesagt überhaupt nicht verstehen, was die Leute dazu bringt, in Stuttgart zu demonstrieren, außer engstirnigem Konservatismus. Was die Sache angeht muss ich hier also überrascht feststellen, mit der CDU ausnahmsweise einer Meinung zu sein.
Trotzdem verhält sich die Landesregierung mit ihrem Beharren auf dem Weiterbau abgrundtief falsch, und auch Angela Merkel demonstriert mal wieder, dass sie nicht das Zeug zur vorbildlich demokratischen Staatsfrau hat.
Das war übrigens auch schon vor den Gewaltexzessen der Polizei klar.
Wenn im politikverdrossenen Deutschland die Menschen endlich demonstrieren gehen und dabei noch nicht mal eine Bahnsteigkarte kaufen, dann darf man dieses zarte Pflänzchen der Meinungsäußerung und politischen Partizipation nicht mit Füßen treten.
Intellektuelle Kreise haben in Deutschland verständlicherweise eine gewisse Scheu vor Volksentscheiden. Aber hier geht es nicht um das Grundgesetz. Es geht auch nicht um Menschenrechte oder die Prinzipien eines Rechtsstaates. Es geht um simple Lokalpolitik, bei der es gut und recht ist, wenn sich die Bürger ganz direkt und persönlich einmischen.
Lasst die Stuttgarter doch einfach in einem Volksentscheid abstimmen. Wenn sie dafür stimmen, gut. Wenn sie dagegen stimmen, noch besser: dann setzt man das für Stuttgart 21 eingeplante Geld eben anderswo sinnvoller ein.
Ja, natürlich gibt es eine Lobby von Bauunternehmern und ihren Freunden, die um ihre Aufträge fürchten, aber es heißt schließlich nicht Kapitalokratie, sondern Demokratie. Der in Deutschland so beliebte Politikerreflex auf den sich Mappus nun bezieht, alles gleich zur Vertrauensfrage zu erklären, die bei der nächsten Wahl entschieden werden soll, widert mich an.
Es geht hier nicht um Parteien, sondern um die Sache, also lasst über die Sache abstimmen.
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