Über Neujahr habe ich Lisset in Peru besucht. Nach zwei faulen Tagen in Lima haben wir im großen Busterminal bei Lima Plaza Norte Tickets gekauft. Man muss sich dieses Terminal ungefähr wie einen Flughafen vorstellen, abgesehen davon, dass man in Bussen im Idealfall nicht abhebt. Auf einem Stockwerk finden sich die bunt durchmischten Schalter von Busunternehmen von klein bis groß, die alle möglichen Städte in Peru anfahren. Von dort geht es dann - im Gegensatz zu Flughäfen ohne Sicherheitsparanoia - ins Untergeschoss, wo man am Gate auf den Bus wartet. Als Reisender hat das den großen Vorteil, dass man viele Busunternehmen, die früher einfach nur unauffindbar wild in Lima verstreut waren, auf einem Haufen findet. So fuhren wir also am 30.12. nach Churin. Mangels Asphalt ab Sayan war die Reise nicht zu komfortabel, zumal das ständige Gehupe des Busfahrers in den vielen Kurven dann doch irgendwann auf die Nerven geht.
Churin liegt ca. 2080m ü. NN und ist das Tor zu einer Andenlandschaft mit einer Vielzahl an heißen Quellen und Thermalbädern. Auch wenn es in meinem Reiseführer nicht auftauchte ist es aber zumindest unter Peruanern offenbar so bekannt, dass es überwiegend vom Tourismus lebt und wohl recht rapide auf eher hässliche Art gewachsen ist. Immerhin ist die Luft rein (wenn man nicht gerade an einer der vielen Müllsammlungen am Straßenrand vorbeikommt, deren Problematik wohl noch nicht im kollektiven Bewusstsein angekommen ist) und die Temperatur angenehm kühl im Vergleich zu Lima (wobei das natürlich meine persönliche Präferenz für kühlere Klimas als Limas widerspiegelt). Die Plaza de Armas kann sich aber durchaus sehen lassen:
Auf unserer ersten Orientierung durch die Stadt wurden wir gleich vom Betreiber einer der Tourismusveranstalter angesprochen, dessen Vorschlag einer Tagestour nach Huancahuasi wir dann auch am 31.12. gefolgt sind. Um etwa 8 Uhr ging es in einem vollgepackten Combi los. Ein Combi, das ist ein Minivan, der mit viel zu engen Sitzreihen ausgestattet ist und so in unserem Fall inklusive Fahrer 14 Personen Platz bot. Lisset und ich saßen dabei auf dem Beifahrerplatz, und ich meine das beinahe wörtlich - natürlich sind wir etwas zur Seite ausgewichen, aber eigentlich ist in dem Wagen vorne wirklich nur Platz für einen Passagier.
Die Fahrt verlief äußerst chaotisch und - hinreichend Geduld vorausgesetzt - durchaus amüsant. Schon nach kurzer Zeit wurden wir von Steinen aufgehalten, die nach einer Sprengung für Straßenarbeiten noch auf der natürlich unasphaltierten Straße lagen. Unser Fahrer gab sich dem Schicksal hin und stieg aus, um den Bauarbeitern einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen und so den Weg schneller freizumachen. Es würde nicht das letzte Mal sein. Kurz darauf wurde der Weg für einige Minuten durch eine Planierraupe blockiert. Direkt nach Chiuchin war die Straße dann vollständig gesperrt für Bauarbeiten, die dringend benötigte Abflussrohre unter der Straße durchlegten, damit die Bäche aus den Bergen nun unter, statt über die Straße führen. Schon um nach Chiuchin zu kommen muss man durch zwei einfache Furten hindurch, eine davon sogar recht lang.
Es gab wenigstens zwei gute Nachrichten. Die erste war, dass die Straße ab Mittag wieder frei sein sollte. Die zweite war, dass direkt bei Chiuchin die Thermalbäder von Huancachin liegen, die sich also dank der Bauarbeiten zusätzlicher Besucher erfreuen konnten. Nach langem Hin und Her, welche der verschiedenen Optionen wir denn nun wahrnehmen sollten, sind wir Lissets Abscheu vor zu heißem Wasser in das größere öffentliche Bad am unteren Ende des Hanges gefolgt. Die Bäder waren sehr angenehm, wenn auch nicht ganz so sauber wie die Bäder, auf die wir später stoßen sollten.
Wegen schlechter Kartendaten bin ich mir nicht ganz sicher, wo Chiuchin genau liegt. Die Satellitenbilder sind zu ungenau um meine Thesen zu überprüfen, und die eingezeichnete Straßenführung passt nicht ganz mit meiner Erinnerung zusammen. Vielleicht sollte ich mir doch einmal ein GPS-Gerät zulegen. Immerhin ist die Orientierung vor Ort prinzipiell kein Problem, solange man des Spanischen mächtig ist - ohne Lisset wäre ich also aufgeschmissen gewesen. In der Praxis bewegt man sich in Combis und anderen Formen von Einheimischen betriebenen Verkehrsmitteln fort. Und sollte man doch im eigenen (geländegängigen!) Fahrzeug unterwegs sein, so wird die Orientierung alleine dadurch einfach, dass es in den majestätisch tiefen Flusstälern der Anden in der Regel nur zwei Richtungen gibt: vorwärts und rückwärts. Falls man doch einmal an eine Gabelung kommt, findet sich in der Regel auch jemand, den man fragen kann.
Als die Straße dann offiziell frei war ging die Fahrt weiter, wenn auch nicht ohne diverse Unterbrechungen bei denen unser Fahrer wieder kräftig mit anpacken musste. Wir kamen vorbei an diversen Forellenfarmen - einfache, aus Stein gebaute Becken, meist fünf bis zehn nebeneinander, die zur typischen Wirtschaftsform dieser Landschaft gehören. Ziemlich überrascht war ich ob der Tatsache, dass es in dem kleinen Dorf Picoy, in das wir bald darauf kamen, ein Wasserkraftwerk gibt. Nach einem letzten Gewaltakt, einer brutalen Steigung neben einem imposanten Wasserfall, kamen wir dann in Huancahuasi an.
Huancahuasi ist lediglich ein armes kleines Dorf, mit Elektrizität aber ohne Handyempfang. Touristisch interessant wird es durch die Thermalbäder, die der ehemalige peruanische Präsident und heutige Gefängnisinsasse Alberto Fujimori in den 90er Jahren für sich bauen ließ. Diese stehen heute gegen ein minimales Eintrittsgeld der Allgemeinheit offen und sind ein wahrer Genuss.
Den Silvesterabend haben wir dann wieder in Churin verbracht, wo wir dem Mensch bzw. Puppe gewordenen Jahr 2010 beim Verbrennen zusahen.
Nach einem faulen 1. Januar in Churin beschlossen wir, dass wir von dieser doch eher hässlichen Stadt genug hatten, und fuhren am 2. Januar wieder nach Churin - dieses Mal mit dem Ziel, dort zu bleiben. Tatsächlich übernachteten wir dann auch in einer kleinen Bleibe direkt neben den Thermalbädern, die, betrieben von einer Familie von Kleinbauern, trotz Flöhen und Kälte (zu allem Überfluss hatte ich aus Deutschland eine Erkältung mitgebracht) durchaus einen gewissen Charme hatte.
So wurde uns auch einmal mehr sehr deutlich vorgeführt, wie extrem die Unterschiede im Lebensstandard zwischen Hochlandbevölkerung und den reichen Schichten in Lima ausfallen. Unterschiede gibt es in jedem Land, auch in Deutschland, und sie sollten überall bekämpft werden, aber natürlich bewegen sich diese Unterschiede in Peru auf einem anderen Niveau. Besonders faszinierend angesichts meiner neuerlichen Interessen ist zu sehen, wie wenig monetarisiert die Form der ländlichen Wirtschaft dort ist. Natürlich nehmen die Verkäufer dort Geld, sie nutzen es ja auch zum Einkauf in der nächsten Stadt. Aber es gibt immer wieder praktische Probleme, weil zum Beispiel einfach nicht genug physisches Geld vorhanden ist, um zu wechseln. Mit einem 50 Soles-Schein (ca. 13 Euro) braucht man in der Regel erst gar nicht zu kommen...
Wir haben die Tage in Huancahuasi dann mit Wanderungen und weiteren Bädern bestritten. Etwas gesünder, und vielleicht auch mit besserer Ausrüstung, würde ich diesen Ort gerne wieder einmal besuchen. Die An- und Rückfahrt ist zwar sehr abenteuerlich und praktisch unplanbar, aber die Anden sind schon verdammt imposant - und den Tag mit einem heißen Bad zu beginnen und zu beenden ist auch so richtig angenehm.
Der Text ist gleichzeitig interessant und lustig geschrieben. Hat mir sehr gut gefallen :) Wie bist du auf diese Reiseidee gekommen?
AntwortenLöschenTS
Danke sehr. Die Reiseidee kam von meiner Freundin, die wiederum vom Bekannten davon gehört hat (sie kommt selbst aus Lima).
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