Montag, Oktober 22, 2007

Ein ganz normales Wochenende

Einer Horde Koreanern ist gelungen, was noch nie jemandem zuvor gelungen ist, und so schnell auch niemandem mehr gelingen wird.

Aber ich fange von vorne an mit vorgestern, einem eigentlich ganz typischen Freitag (ja, ich weiß, dass der Server sagt, es ist Montag; das ist ein Zeitverschiebug). Emilie, Leroy, Silvia und ich sind mit dem Bus zur Union gefahren, um ein Preview von Dan in Real Life anzusehen. Ja, in der Student Union auf dem Campus gibt es einen waschechten Kinosaal. Da es in den Kinos hierzulande keine Platzkarten gibt, waren wir früher dran und haben uns in der Warteschlange mit Tiffany, einer Amerikanerin, die wir im Bus getroffen hatten, amüsiert. Wir haben auch noch eine Gruppe Japaner getroffen, die aber schon nach Hause wollten - zumindest Sachi mit gutem Grund namens Los Angeles.

Da 45 Minuten Wartezeit doch etwas lang sind, habe ich mir in Anlehnung an diesen Comic die Braille-Schriften, die hier auf den meisten einfachen Schildern zu finden sind, einmal genauer angesehen. Und tatsächlich: Auf einem Schild mit der Aufschrift "Presidents Room" (ja, die haben hier ein Zimmer mit Portraits früherer Uni-Präsidenten) standen in Braille nicht zwei, sondern drei Wörter. Die äußeren Wörter waren mit ziemlicher Sicherheit "Presidents Room", aber das mittlere Wort hat sich mir leider nicht erschlossen.

Der Film war übrigens eine ganz solide Komödie, aber nichts Weltbewegendes. Wäre sicherlich amüsantes Sneakmaterial, trotz sehr vorhersagbarer Story.

Im Anschluss sind wir zurück zu Traditions West gefahren und haben bei Silvia gekocht. Das heißt, eigentlich haben Leroy und Silvia gekocht. Ich habe Werkzeug besorgt, denn einmal mehr durfte ich feststellen, wie viel Glück ich mit dem gut ausgestatteten Apartment - unter anderem Kartoffelschäler und Korkenzieher - hier habe.

Nach einer leckeren Mahlzeit ging es dann zur Geburtstagsfeier von Ye Li, einer Koreanerin. Es gibt hier verschiedene Arten von Parties. Manche sind einfach nur total überfüllt, als wäre das Ziel, die maximale Kapazität der Apartments auszuloten. Dann stehen die Gäste so dicht aneinander gedrängt, dass einfach kein Durchkommen mehr ist, und der überwältigende Lärm stammt fast ausschließlich von Gesprächen. Angenehmer sind die Parties, bei denen etwas mehr Platz ist. Da wird dann gerne auch getanzt, oft südamerikanisch, einfach auf Grund der Herkunft der Leute. Zu guter Vorletzt kann man manchmal einfach gemütlich zusammensitzen.

Und dann gibt es die Koreaner. Als wir um ca. 11 Uhr zu Ye Lis Apartment gegangen sind, hat man schon von draußen lautes Geschrei und Gejubel gehört. Das ist eher ungewöhnlich, denn die Apartments sind erstaunlich gut schallisoliert. Drinnen bot sich dann ein amüsanter Anblick. Um den Tisch herum wurde ein Trinkspiel gespielt, bei dem jeder auf eine andere Person seiner Wahl zeigt. Jemand ruft eine Nummer, und dann wird, angefangen bei dem, der als letztes getrunken hat, entsprechend der gerufenen Nummer den Zeigefingern gefolgt. Der oder die so letztendlich Auserkorene muss den nächsten Schuss trinken, und das Ganze geht von vorne los.

Irgendwann hatten sie dann genug davon, und das nächste Trinkspiel wurde angefangen. Ye Li hatte zusammen mit Cindy, einer anderen Koreanerin, ein stark an Monopoly erinnerndes Spielfeld gebastelt, auf dem diverse Bars in und um Norman eingezeichnet waren. Auch das Spielprinzip erinnert stark an Monopoly, nur dass es kein Geld gibt. Stattdessen wird bezahlt, indem Wodka getrunken wird. Da natürlich nicht jeder einzeln spielen kann wird in Teams gespielt, und der Wodka auf die Teammitglieder aufgeteilt. Da dachte ich mir, ich probier das einfach mal aus.

Betrunken zu sein ist ein interessantes, wenn auch nicht ganz unbekanntes Gefühl. Im Wesentlichen ist der analytische und reflektierende Teil des Verstands gedämpft, aber das geht auch ohne Alkohol. Verrückte Dinge, wenn auch wahrscheinlich von leicht anderer Natur, tue ich auch im nüchternen Zustand genug. Im Gegensatz dazu stehen die unangenehmeren Effekten wie Gleichgewichtsstörung. Andere Effekte gibt es natürlich auch, zum Beispiel verstärkte Emotionen. Wirklich angenehm ist betrunken zu sein wohl nur, wenn man jemanden zum Kuscheln hat, aber wenn man jemanden zum Kuscheln hat, wozu dann Alkohol?

Nach dem 4,5-ten Schuss habe ich aufgehört in dem Wissen, dass die Alkoholkonzentration im Blut nachläufig ist, und mit dieser Entscheidung war ich nicht der einzige. Etwas später hat sich das Spiel dann endgültig verlaufen, Dominik hat den Sieg seines Teams verkündet, weil von uns anderen Teams niemand übrig war, und Ye Li war total wasted. Da sie deshalb schon kurz vor ein Uhr morgens von versammelter Mannschaft ins Bett gebracht wurde, war dann die Party vorbei und wir haben beschlossen, dass es vielleicht am Besten wäre, einfach auch ins Bett zu gehen.

Zuhause angekommen war ich dann doch noch neugierig und habe mich an ein Assignment in Convexity Theory gesetzt, bis ein Blatt vollgeschrieben war. Im Nachhinein betrachtet war meine Einschätzung im betrunkenen Zustand richtig. Die Beweise waren korrekt, wenn auch zum Teil etwas umständlich aufgeschrieben. Und ich habe eine Stunde für das Blatt gebraucht, was angesichts der einfachen Aufgaben mindestens doppelt so lang - eher dreimal so lang - wie üblich war. Trotzdem bin ich alles in allem mit dem Ergebnis zufrieden.

Allerdings war ich danach noch nicht müde, und nachdem ich etwa zwanzig Minuten lang zu einer Endlosschleife von "Kopfüber in die Hölle / Revolution" von den Ärzten (natürlich per Kopfhörer, ich bin schließlich verantwortungsbewusst) durchs Zimmer getanzt bin habe ich beschlossen, The Invisible anzuschauen. Der Film handelt von einem Jugendlichen, der von einer Klassenkameradin umgebracht wird - zumindest glaubt sein Geist das, bis er feststellt, dass sein Körper noch am Leben sein muss. So handelt der Rest des Films von seinem verzweifelten Versuch, das Gewissen von besagter Klassenkameradin zu wecken, und vom (zumindest für einen von ihnen) fatalen Verrat durch einen guten Freund. Hört sich merkwürdig an, ist aber durchaus sehenswert, allein schon weil der Film nicht in eins der typischen Standardmuster passt. Jetzt interessiert mich natürlich das schwedische Original und die Buchvorlage.

Um ca. 4 Uhr morgens bin ich dann letztendlich eingeschlafen, und um kurz vor 13 Uhr wurde ich vom Telefon geweckt (genauer gesagt von José, der den Anruf entgegengenommen hatte). Aissata und Yan haben mich unter dem Vorwand des dräuenden Halloween zum Shopping geschleppt. Mangels mitgenommener Kamera kann ich davon leider nicht adäquat berichten, aber eigentlich kann man es ganz gut auf einen Punkt bringen: Frauen sind definitiv überall auf der Welt im Grunde gleich, und dementsprechend sind auch die Läden im Grunde gleich. Da auch Männer definitiv überall auf der Welt im Grunde gleich sind, fließen sie auch hier in den USA nur als "afterthought" in den Entwurf der Läden ein.

Nachdem wir am Abend unseren Kram in Yans Büro verstaut hatten gingen wir zur "Fall-a-Fair" in der Union. Das ist eine kostenlose Mini-Fair, die von der Universität anlässlich des "Sooner Days", anscheinend eine Art Tag der offenen Tür, finanziert wurde. Ich musste dort einmal mehr feststellen, dass ich zu optimistisch bin. Amerikaner können einfach keine Brezeln backen, das scheint so eine Art Naturgesetz zu sein. Wir haben die Spielereien bewundert und Chinchillas und ein Stinktier gestreichelt. Nein, es hat nicht gestunken; nach Aussage des Betreuers wurde die entsprechende Drüse entfernt. Am Ende haben wir uns noch die Handflächen lesen lassen. Ich glaube den ganzen Kram ja nicht, aber da es sicherlich interessant sein könnte, das in Zukunft einmal nachzulesen oder mit den Aussagen einer anderen Wahrsagerin zu vergleichen:

Wenn ich etwas über 60 bin werde ich schwerwiegende Probleme mit der Gesundheit bekommen (autsch!), aber ich kann durchaus bis hundert Jahre und darüber hinaus alt werden (nicht schlecht...). Es gibt einen Beruf, der mich mein ganzes Leben lang faszinieren wird. Ich werde oft davon abschweifen und mich für andere Dinge interessieren, aber ich werde immer wieder zu dem einen Beruf zurückkehren, und das bis ans Lebensende (das hört sich an, als könnte es in Erfüllung gehen). Andere gehen in den Ruhestand, ich nicht (ich werde emeritiert!). Sie hat sehr, sehr viele Frauen in meinem Leben gesehen (ach ja?), und ich werde zwar letztendlich lange Zeit mit einer zusammenbleiben, aber mein Herz wird sich nie ganz sicher sein, ob sie die Richtige ist (geht's noch frustrierender?), und das wird noch spät zu Problemen führen (ja, es geht!). Sie sieht ein Kind, und zwar eine Tochter (diese Aussage erlaubt eine interessante, wenn auch nicht gerade erfreuliche Interpretation).

Nun ja. Nach George W. Bush ist das Schlechte an der Zukunft, dass Vorhersagen, die die Zukunft betreffen, äußerst schwierig sind. Ich sage, das Schöne an der Zukunft ist, dass man sie ändern kann.

P.S.: All diejenigen, die behauptet haben, ich würde den widerlichen Geschmack von Alkohol nicht mehr erkennen, wenn ich betrunken bin, muss ich leider enttäuschen. Ich hatte eben doch Recht.

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