Sonntag, Januar 13, 2008

Florida

Am 30.12. haben wir Washington über den Reagan National Airport wieder verlassen, sind abends im unglaublich schwülen Orlando drunten gelandet und haben unseren Mietwagen abgeholt.

Die nächsten Tage sind wir recht gemütlich durch Florida getourt. Nach dem Motto "Wenn wir schon mal hier sind..." haben wir am ersten Tag in Florida, also an Silvester, Disney World bei Orlando durchwandert. Ich habe meine Zweifel, ob der Besuch den extrem teuren Eintrittspreis wirklich wert war. Rentabler ist Disney World für Leute, die sich die volle Dröhnung geben wollen und bis zu zehn Tage dort verbringen, aber das würde ich wahrscheinlich nicht aushalten. Immerhin sind alle Attraktionen kostenfrei, wenn man erstmal in einem der vier Theme Parks drinnen ist, die das touristische Hauptinteresse der Anlage sind. Und so hat sich der Besuch definitiv gelohnt, alleine schon aus metatouristischer Perspektive.

Auf einem Gelände, das so gigantisch ist, dass dort eigene Freeways gebaut werden, um von A nach B zu kommen, befinden sich inmitten großer Wald- und sonstiger Grünflächen unvorstellbar große Parkplatzflächen um jeden der vier Theme Parks. Permanent sind in jedem dieser Parkplatzbereiche mindestens fünf Leute damit beschäftigt, mit dem Auto ankommende Besucher in die jeweilige Betonwüste einzuweisen. Die Fahrer der Parkplatz-Tram und die Angestellten, die die Parkplatzgebühren einkassieren, sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Nach einem kurzen Mahl im Auto haben wir uns der vom Parkplatz in Richtung der Eingangstore rollenden Touristenwalze angeschlossen und den Theme Park namens Epcot betreten. Dieser Park unterteilt sich in einen Teil, in dem unter dem Motto "Future World" diverse Technologien verwässert werden bis sie in Form einer Jahrmarkt-artigen Attraktion präsentiert werden können - zum Beispiel eine simulierte Testfahrt, natürlich mit viel Sponsoring eines großen amerikanischen Autoherstellers - und einen Teil, in dem das Kitschpotential verschiedener Länder, Deutschland mit seinen Kuckucksuhren und Lederhosen natürlich eingeschlossen, voll ausgenutzt wird um Produkte an den Mensch zu bringen. Das hört sich jetzt schlimmer an als es eigentlich ist, denn der Park ist definitiv nett gestaltet, und die ganze Infrastruktur, die wahrscheinlich beeindruckender ist als der Park selbst ist gut versteckt.

Von den vier Theme Parks in Disney World haben einige sogar angeblich etwas mit Disney zu tun. Wir waren allerdings nur noch im sogenannten Animal Kingdom, wo die Natur Afrikas und Asiens zur Tourismusmaschine wird. Dazu gehört zum Beispiel eine Safari mit echten Tieren und einer gestellten Verfolgung von Wilderern. In einem anderen ride in einer Art Boot sind wir ordentlich nass geworden, wobei das angesichts des Regens, der angefing, als wir in einer der vielen Warteschlangen auf die Achterbahnfahrt auf "Mt Everest" gewartet haben, auch wieder egal war. Die Achterbahn durch den Regen zu fahren war auf jeden Fall sehr cool. Danach sind wir aber doch lieber zurück ins Motel gefahren, um uns trocken einzukleiden und einen Regenschirm zu kaufen, den wir den Rest des Abends nicht mehr gebraucht haben.

Wir sind nämlich wieder zu Epcot gefahren um dort Silvester zu feiern. Man muss dazu wissen, dass die gezeigten Länder aus aller Welt dort um einen großen See herum angeordnet sind. Jeden Abend wird über dem See eine beeindruckende Feuerwerk- und Lasershow namens Reflections of Earth gezeigt. Am Silvesterabend war diese Show so getimed, dass ihr Ende direkt in den Countdown zum neuen Jahr übergegangen ist. Alle um den See versammelten Länder, die bereits im neuen Jahr waren, wurden vor Mitternacht mit einem Feuerwerk in den Farben der jeweiligen Fahne geehrt. Dass das bei Deutschland nicht so recht geklappt hat sei an dieser Stelle auf Grund der außerordentlichen Herausforderung verziehen. Das finale Feuerwerk um Mitternacht hat der ganzen Show dann nochmal eins draufgesetzt.

Und was macht man kurz nach Mitternacht? Man drängt sich durch die Tausende, die den Park bevölkern und versucht, vor dem großen Ansturm zum Parkplatz zu kommen um zu flüchten. Wir haben wahrscheinlich zwanzig Minuten gebraucht, um uns an den anderen Leuten vorbeizukämpfen, aber wir haben es tatsächlich geschafft, vor dem großen Exodus die Parkwüste zu durchqueren.

Disney World ist ein faszinierendes Thema. So hat Disney (die genaue Struktur der vielen Firmen, die in diesem Konzern stecken ist mir zu verwirrend, so dass ich sie einfach alle in einen Topf namens "Disney" werfe) de facto legislative Rechte im Bereich von Disney World, das sich im Reedy Creek Improvement District befindet. Dieser Bezirk ist zwar nominell demokratisch organisiert, aber da quasi alles Land mehr oder weniger direkt Disney gehört und die einzigen Einwohner hochrangige Disney-Angestellte sind, besitzt hier ein Konzern sehr direkt eine demokratisch gewählte Regierung und könnte zum Beispiel seine eigene offizielle Polizeibehörde einrichten (was in diesem Fall aber nicht passiert ist). Vollkommen abartig, aber da in den USA nunmal beinahe alles auf lokaler Ebene geregelt ist, im Rahmen des Möglichen.

Zudem könnte man einen ganzen Eintrag allein den moralischen Aspekten einer Tourismusmaschine wie Disney World widmen. Dabei denke ich gar nicht mal an die Unmengen an Energie und Müll, sondern an die geistige Hygiene der Besucher. Viele der Attraktionen versuchen bewusst, einen Eindruck zu vermitteln, als würden sie dem Besucher etwas reales zeigen. Sie versuchen, den Besucher davon zu überzeugen, dass er jetzt wirklich etwas über China lernt oder über Deutschland, dabei wird immer nur ein kleiner, ins kitschige übertriebener Ausschnitt gezeigt. Und ich werde zum Beispiel nie wissen, ob die Straußeneier, an denen wir vorbeigefahren sind, echt waren oder nicht, oder ob sie vielleicht echt waren, aber von den Parkangestellten an eine andere Stelle getragen wurden, um sie für uns "Safari"-Teilnehmer sichtbar zu machen.

Natürlich wissen Besucher von Disney World im Prinzip, dass ein Unterschied zwischen Show und Realität besteht - ich hoffe es zumindest. Aber die Designer der Attraktionen tun alles, um diese Unterscheidung zu erschweren - und gerade in der Langzeiterinnerung verankert sich dann womöglich als Fakt, was lediglich Teil der Show war.

Klar ist aber, dass es trotzdem möglich und auch angemessen ist, die Reizüberflutung und die aufwendig produzierten Shows zu genießen. Nur sollte man danach wieder aufwachen und sich vergegenwärtigen, dass man in Disney World war und nicht in der Real World.

Am nächsten Tag sind wir den US-Highway 1 an der Ostküste Floridas heruntergefahren. Auf dem Weg haben wir die unglaublich grüne Natur und natürlich auch ein Stück Strand genossen. Sebastian hat festgestellt, dass er tatsächlich in Florida ist. Überhaupt sind wir weit gereist, und Hollywood noch einmal zu sehen war auch ganz witzig. Nein, ein Hollywood-Schild gab es dort nicht. Auf unseren ursprünglichen Plan, Miami zu besuchen, ist dann am Nachmittag bis frühen Abend eine unglaubliche Menge Wasser gefallen, so dass wir uns einfach in Florida City, der letzten "Stadt" vor den Keys, eine Unterkunft gesucht haben.

Von dort aus haben wir am Mittwoch, dem 2. Januar, den Everglades National Park besucht. Das war eine wohltuende Abwechslung vom organisierten Tourismus der vorangegangenen Tage, und wir konnten neben einem Alligator auch eine überproportionale Anzahl Deutscher und Menschen, die sich erinnern, bewundern.

Tags darauf sind wir weiter dem US-Highway 1 nach Key West gefolgt. Key West ist die und befindet sich auf der letzten Insel in der langen Inselkette im Süden von Florida. All diese Inseln sind durch Brücken untereinander verbunden. Das etwas amüsante Resultat ist, das auf einigen der kleineren Inseln nur ein Stück Highway, ein nicht asphaltierter Parkplatz und eine ganze Menge Palmen zu finden sind. Key West selbst ist ein extrem touristisches, aber insgesamt sehr nettes Städtchen. Ich fühlte mich mal wieder in der Vermutung bestätigt, dass normalen amerikanischen Städte vor allem deswegen Charme fehlt, weil sie zu viel Platz haben. Noch am selben Tag sind wir zurück nach Norden bis Pompano Beach gefahren, und am Freitag habe ich Sebastian am Flughafen von Orlando abgeliefert.

2 Kommentare:

Ditzi hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Ditzi hat gesagt…

Hammer...mein absoluter Traum, werd im Sommer auch wieder rüber fliegen, nach Miami gehts bei mir wieder, nen halbes Jahr Praxissemester =)