Bundesinnenminister de Maizière stellte heute ein Thesenpapier zur konservativen Netzpolitik vor, und nach einer Lektüre war ich erstmal sprachlos. Internet-relevante Vorschläge, die aus dieser politischen Ecke kommen, haben sich bis jetzt ja immer vor allem dadurch hervorgetan, dass sie einfach nur dumm waren, der Volksmund würde sagen: Dumm wie Brot. Die Vorstöße strotzten nur so vor Ideen, auf die man nur kommen kann, wenn man thematisch einfach keine Ahnung hat.
Dieses neue Thesenpapier liest sich auf einmal ganz anders, ja, es ist regelrecht vernünftig. Es zeigt ein Gefühl für Augenmaß und Ausgewogenheit, das ich in der heutigen Politik fast schon für unmöglich gehalten hatte.
Das bedeutet natürlich nicht, dass ich in allem mit de Maizière übereinstimmen würde. Wir kommen aber an den Punkt, an dem wir nur noch verschiedener Meinung sind weil er eben konservativ (im politischen Sinn, der sich vom Wortsinn bekanntermaßen unterscheidet) ist und ich nicht. Das ist ein gigantischer Fortschritt gegenüber der bisherigen Netzpolitikrealität.
Sicher, dieses Thesenpapier bleibt eher vage und man muss nicht mit jedem Punkt vollkommen übereinstimmen, aber wenn das so bleibt kann man nur sagen: Gratuliere, Piraten, und macht weiter so! Wir haben das euch zu verdanken.
Und als ob das nicht genug wäre, gibt der gleiche de Maizière heute offiziell bekannt, dass die Linke nicht verfassungsfeindlich ist. Auch das eine sehr erfreuliche, vernünftige Erkenntnis.
Und als ob auch das immer noch nicht genug wäre, bewegt sich die Regierungskoalition womöglich auch strafrechtlich in eine vernünftige Richtung.
Zugegeben, die letzten beiden Punkte sind eher klein verglichen mit der ersten Nachricht, aber an einem Tag gleich drei erfreuliche Nachrichten aus der Berliner Politik? Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Wenn die Regierung jetzt auch noch volkswirtschaftliche Kompetenz zeigen würde, müsste dringend einmal jemand in der Hölle nach dem Thermostat sehen.
Lerne, wie die Welt wirklich ist, aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
Dienstag, Juni 22, 2010
Donnerstag, Juni 17, 2010
Außenansicht
Via die Nachdenkseiten bin ich über einen Kommentar von Paul Krugman gestolpert, indem er wiederholt, was in interessierten Kreisen schon länger bekannt ist: die deutsche Regierung hat zwar volkswirtschaftliche Kompetenzen, man kann ihr aber beim besten Willen nicht unterstellen, Kompetenz zu haben. Es fehlt ihr gewissermaßen die Kompetenzkompetenz, nicht zu verwechseln mit Kompetenzkompetenz.
Ambiguitätsbedingte Wortspielereien beiseite, Krugman schreibt unter anderem: "Arguing with German deficit hawks feels more than a bit like arguing with U.S. Iraq hawks back in 2002: They know what they want to do, and every time you refute one argument, they just come up with another."
Für ihn sind staatliche Sparvorhaben unverantwortlich, und er erklärt sich das Verhalten deutscher Politiker: "German deficit hawkery seems more sincere. But it still has nothing to do with fiscal realism. Instead, it’s about moralizing and posturing. Germans tend to think of running deficits as being morally wrong, while balancing budgets is considered virtuous, never mind the circumstances or economic logic."
Ob die Deutschen wirklich "sincere" sind im Gegensatz zu ihren US-amerikanischen Kollegen ist für mich persönlich etwas fragwürdig, schließlich fällt es der Regierung doch allzu leicht bei denen zu sparen, die davon am härtesten getroffen werden (und wodurch gleichzeitig noch die Binnennachfrage am stärksten abgewürgt würde - solche Politik ist auch dann dumm, wenn man überhaupt kein soziales Gewissen hat), während es beim eigenen Klientel bei vagen Allgemeinaussagen bleibt.
Ambiguitätsbedingte Wortspielereien beiseite, Krugman schreibt unter anderem: "Arguing with German deficit hawks feels more than a bit like arguing with U.S. Iraq hawks back in 2002: They know what they want to do, and every time you refute one argument, they just come up with another."
Für ihn sind staatliche Sparvorhaben unverantwortlich, und er erklärt sich das Verhalten deutscher Politiker: "German deficit hawkery seems more sincere. But it still has nothing to do with fiscal realism. Instead, it’s about moralizing and posturing. Germans tend to think of running deficits as being morally wrong, while balancing budgets is considered virtuous, never mind the circumstances or economic logic."
Ob die Deutschen wirklich "sincere" sind im Gegensatz zu ihren US-amerikanischen Kollegen ist für mich persönlich etwas fragwürdig, schließlich fällt es der Regierung doch allzu leicht bei denen zu sparen, die davon am härtesten getroffen werden (und wodurch gleichzeitig noch die Binnennachfrage am stärksten abgewürgt würde - solche Politik ist auch dann dumm, wenn man überhaupt kein soziales Gewissen hat), während es beim eigenen Klientel bei vagen Allgemeinaussagen bleibt.
Samstag, Juni 05, 2010
Eine Studie und ihre Nachrichten
Gerade wandert eine Studie, die die Folgen der letzten Oberstufenreform in Baden-Württemberg untersucht hat, durch die Medien. Angesichts des großen Tumults, der von allen Seiten zu solch einer Reform produziert wird, freut man sich über jeden objektiven Blick.
Aber wie objektiv ist der Blick, der bei uns Nicht-Bildungswissenschaftlern ankommt, wirklich? Gerne werfen die Lager in erhitzten politischen Diskussionen den Autoren solcher Studien mangelnde Objektivität vor, und sicherlich ist niemand perfekt. Aber auch eine perfekt objektive Studie übersteht den Filter der Berichterstattung selten unbeschadet.
Schön verräterisch ist da die Gegenüberstellung zweier Artikel anlässlich der selben, anfangs erwähnten Studie, einer in der SZ - "Stabil in Englisch, besser in Mathe" - der andere in der ZEIT - "Schlechte Stimmung, schwache Zahlen". (Ja, mir ist bekannt, dass Überschriften nicht unbedingt aus der gleichen Feder stammen wie der Artikel, über dem sie stehen, aber jeder kann sich leicht selbst überzeugen, dass der Grundton der Artikel mit den Überschriften in diesem Fall deutlich korreliert.)
Auch ohne die Artikel oder die Studie ausführlich zu lesen ist klar, dass mindestens einer der beteiligten Redakteure seine persönliche Meinung über die objektive Berichterstattung stellt.
Das Traurige ist, dass wir dieser manipulativen Filterung ständig ausgesetzt sind, und sie sich nur selten durch so offensichtlich widersprüchliche Artikel entlarvt.
Aber wie objektiv ist der Blick, der bei uns Nicht-Bildungswissenschaftlern ankommt, wirklich? Gerne werfen die Lager in erhitzten politischen Diskussionen den Autoren solcher Studien mangelnde Objektivität vor, und sicherlich ist niemand perfekt. Aber auch eine perfekt objektive Studie übersteht den Filter der Berichterstattung selten unbeschadet.
Schön verräterisch ist da die Gegenüberstellung zweier Artikel anlässlich der selben, anfangs erwähnten Studie, einer in der SZ - "Stabil in Englisch, besser in Mathe" - der andere in der ZEIT - "Schlechte Stimmung, schwache Zahlen". (Ja, mir ist bekannt, dass Überschriften nicht unbedingt aus der gleichen Feder stammen wie der Artikel, über dem sie stehen, aber jeder kann sich leicht selbst überzeugen, dass der Grundton der Artikel mit den Überschriften in diesem Fall deutlich korreliert.)
Auch ohne die Artikel oder die Studie ausführlich zu lesen ist klar, dass mindestens einer der beteiligten Redakteure seine persönliche Meinung über die objektive Berichterstattung stellt.
Das Traurige ist, dass wir dieser manipulativen Filterung ständig ausgesetzt sind, und sie sich nur selten durch so offensichtlich widersprüchliche Artikel entlarvt.