Donnerstag, Juli 25, 2013

"The Money is Stuck in the Banks"

In der wirtschafts- und finanzpolitischen Diskussion hört und liest man regelmäßig Phrasen wie "Die Banken parken ihr Geld bei der Zentralbank" oder "Das Geld bleibt in den Banken". Exemplarisch zum Beispiel hier:
Let's face it: inflation levels in Europe and Germany are astonishingly low, given the enormous amounts of newly printed money that was released by the ECB. To my mind this has several reasons:

1. The money is stuck in the banks. Which is good for Germany (little headline inflation) but bad for the periphery (credit crunch).
Diese Formulierungen sind allesamt Zeugen von unsauberem Denken. Denn von "Geld parken" spricht nur, wer eine andere Verwendung des Geldes für möglich hält. In der Diskussion der Geldbasis, also der Menge allen Zentralbankgeldes, gibt es aber keine andere Verwendung. Zentralbankgeld ist immer bei der Zentralbank geparkt solange es existiert.

Das hört sich erst einmal merkwürdig an. Man muss genauer untersuchen, was mit Zentralbankgeld eigentlich geschieht. Einen Einstieg bieten diese Artikel, und hier noch einer mit Bildern.

Jede Bank hat ein Konto bei der Zentralbank. Das Geld auf diesem Konto nennt man Zentralbankgeld, und es wird von den Banken für den Zahlungsausgleich verwendet. Es gibt genau drei Dinge, die eine Bank mit Zentralbankgeld tun kann:
  1. Sie kann das Zentralbankgeld auf das Zentralbankkonto einer anderen Bank überweisen.
  2. Sie kann mit dem Zentralbankgeld von der Zentralbank Bargeld kaufen.
  3. Sie kann mit dem Zentralbankgeld Kredite an die Zentralbank zurückzahlen oder Wertpapiere von der Zentralbank kaufen.
Bei den letzten beiden Punkten geht das Zentralbankgeld nirgendwo hin, sondern verschwindet einfach.[1] Die Schlussfolgerung ist: Zentralbankgeld ist immer auf einem Zentralbankkonto. Angesichts dessen ist es unsinnig davon zu sprechen, dass die Banken das Geld bei der Zentralbank parken - es kann nämlich nirgendwo anders sein!

Manchmal reden die Mitglieder des Kommentariats auch davon, dass "das Geld in den Banken bleibt", und meinen damit, dass die Banken wenig neue Kredite vergeben. Wenn sie das so meinen, dann sollten sie das auch so sagen: Die Banken vergeben wenig Kredite. Denn die andere Formulierung zeugt von unsauberem Denken. Sie basiert auf dem Irrglauben, die Banken würden das Geld ihrer Kunden verleihen.

Ein einfaches Gedankenexperiment zeigt, dass dem nicht so ist. Denn wenn es die Wahrheit wäre, dann wären wir mit der folgenden Szene vertraut:
Personen
Herr Kunde
Frau Bankière

Eine Bankfiliale. Frau Bankière sitzt an einem gut aufgeräumten, überdimensionierten Schreibtisch und telefoniert. Im Hintergrund sind weitere Pinguine zu sehen. Herr Kunde betritt die Bank und versucht, am Automaten im Vorraum Geld abzuheben. Dies scheint zu misslingen, worauf er den Hauptraum mit suchendem Blick betritt.

Frau Bankière: Grüß Gott, wie kann ich Ihnen helfen?
Herr Kunde: Ihr Geldautomat behauptet, mein Kontostand sei zu niedrig. Das kann eigentlich nicht sein!
Frau Bankière: Einen Moment. Dürfte ich Ihre ec-Karte sehen?

(Er überreicht die Karte, worauf sie etwas auf ihrem Computer eingibt.)

Frau Bankière: Doch, hier steht es. Auf Ihrem Konto sind gerade noch 17 Euro und 52 Cents.
Herr Kunde: Aber vorgestern waren da noch über 500 Euro drauf!
Frau Bankière: Das ist richtig, aber die haben wir inzwischen verliehen.
An der Absurdität dieser Szene erkennt man, dass Banken das Geld ihrer Kunden nicht verleihen.

Die Wahrheit ist: Wenn Banken Kredite vergeben, dann erzeugen sie neues Geld. Mit dem Geld, das bereits auf Konten von Kunden der Bank existiert, hat das nichts zu tun. Damit ist die Phrase vom Geld, das "in den Banken bleibt" genauso unsinnig wie die Phrase vom Geld, das "bei der Zentralbank geparkt ist".

Was lernen wir daraus? Die wenigsten Menschen scheinen wirklich zu verstehen, wie das Geldwesen funktioniert. Das gilt sogar für diejenigen, die es eigentlich wissen müssten -- zum Beispiel, weil sie Wirtschafts- und Finanzjournalisten sind. Es wird versucht, dieses Unwissen durch unpräzise und irreführende Sprache zu verstecken. Das wäre an sich auch gar nicht so tragisch, wenn nicht wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen auf diesem unsoliden Fundament aufgebaut würden.

Wie man daran etwas ändern kann? Solange mir nichts Besseres einfällt hoffe ich, dass steter Tropfen den Stein wirklich höhlt.



[1] Wenn man diese Aussage das erste Mal liest, sollte man darüber stolpern. Ich lege dem geneigten Leser nahe, sich diese Tatsache zu verinnerlichen: Wenn die Zentralbank Zentralbankgeld einnimmt, dann verschwindet es einfach. Das ist übrigens bei Banken konzeptionell genauso, wenn sie Kontoführungsgebühren einziehen: Wo vorher noch eine Verbindlichkeit der Bank in Form von Buchgeld war, ist jetzt auf einmal ein Gewinn der Bank. Der steht als solcher in der gedachten Bilanz auch erst einmal auf der Passiv-Seite, ist aber kein Geld.

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