Sonntag, Februar 01, 2015

Noch mehr Spaghetti! Wie soll Staatsfinanzierung durch die EZB aussehen?

Im Freitag erscheint ein Artikel von Christian Felber mit dem etwas albernen Titel "Mehr Spaghetti für die Wirtschaft". Der Artikel handelt nicht etwa von Griechenland, wie man angesichts des aktuellen, etwas ermüdenden Dauerthemas erwarten könnte, sondern von der EZB-Politik des Quantitative Easings. Der geneigte Leser sollte ihn am besten jetzt sofort lesen. Dieses Blog hier wartet solange geduldig.

Es stimmt vollkommen, dass die Staatsfinanzierung über Finanzmärkte ein unsinniges, undemokratisches Konstrukt ist. Der Vorschlag von Christian Felber, Staatsanleihen bis zur Höhe von 50% des BIP direkt und ohne Zinsen von der EZB kaufen zu lassen ist gut und richtig. Ich würde aber noch einen Schritt weiter gehen.

Woher kommt eigentlich diese Zahl von 50%? Mit den 50% ist es genau wie mit den fast schon in Vergessenheit geratenen 60% aus dem Vertrag von Maastricht oder den durch Reinhart und Rogoff popularisierten 90%. Diese Zahlen sind aus der Luft gegriffen. In Vergessenheit gerät dabei, dass Keynes für eine expansive Fiskalpolitik plädiert hat, als der Schuldenstand weit oberhalb von 100% zum BIP lag. Was ist also die richtige Zahl?

Es gibt keine, und zwar aus gutem Grund. Die wesentliche und notwendige Funktion von Staatsschulden ist die des Gegengewichts zu privaten Vermögen. Private Haushalte versuchen aus den verschiedensten und meist auch berechtigten Gründen, direkt oder indirekt Vermögen aufzubauen. Das schafft finanzielle Freiheit, sorgt vor fürs Alter, und so weiter. Dieses Vermögen kann zum Beispiel in Form eines Eigenheims oder in Form von Anteilen an privaten Unternehmen gehalten werden. Insgesamt gibt es aber nie genügend Werte - und vor allem nicht genügend Werte der gewünschten Bonität - um die "Nachfrage" nach Vermögen zu bedienen (das ist keine mathematisch zwingende Tatsache, sondern eine empirische Beobachtung). Ohne Staatsschulden führt diese "Nachfrage" nach Vermögen zu einem Sparverhalten, das die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen drückt und dadurch die Wirtschaft abwürgt. Staatsschulden dienen als Ausgleichsventil, weil sie einen Vermögenswert guter Bonität zur Verfügung stellen.

Wie viele Staatsschulden werden für diese Funktion als Ausgleichsventil benötigt? Das hängt vom Sparverhalten der privaten Haushalte und vom Verhalten der privaten Wirtschaft ab. Deshalb ist eine feste Zahl Unsinn - egal ob man sie nun auf 50%, 60%, 90%, oder gar 200% setzt. Die Aufgabe der Politik muss es sein, angemessen auf das Verhalten des Privatsektors zu reagieren.

Für die Eurozone bedeutet das, dass die EZB Staatsfinanzierung nicht nur bis zu einer festen Grenze leisten sollte, sondern - den Umständen entsprechend - potentiell unbegrenzt. Natürlich darf der Zugriff auf diese Finanzierung nicht nur von der Politik der individuellen Mitgliedsstaaten abhängig sein, da sonst einer Inflationsspirale nichts im Weg stünde (das ist offensichtlich und wurde auch schon von Christian Felber angemerkt). Außerdem gibt es noch das Problem der Fairness: Wenn Österreich aus guten Gründen ordentlich bei der EZB zugreift, dann werden die Populisten in Deutschland darauf pochen, dass das unfair ist und man zumindest genauso zugreifen sollte - auch wenn es in Deutschland vielleicht gar keinen ökonomisch angemessenen Grund dafür gibt. Dann werden Geschenke verteilt, die man bald wieder rückgängig machen muss.

Meine favorisierte Lösung ist daher, dass man ein System fester Grenzen, wie es von Christian Felber vorgeschlagen wird, durch automatische Stabilisatoren ergänzt, die einheitlich für die Eurozone sind. Der progressivste Vorschlag in diese Richtung ist eine Euro-weite Job-Garantie. Es wäre aber auch denkbar, verschiedene Sozialsysteme, wie zum Beispiel eine Arbeitslosigkeitsversicherung, auf Ebene der Eurozone zu errichten und durch die EZB abzusichern (die Sozialsysteme der einzelnen Mitgliedsstaaten würden natürlich - entsprechend reduziert - als Ergänzung weitergeführt). Der Vorteil liegt auf der Hand: Wenn in der nächsten Krise die Arbeitslosigkeit wieder in die Höhe schnellt, und staatliche Ausgaben am dringendsten benötigt werden, dann wird der größte Teil dieser Last durch die Eurozone insgesamt getragen. Einzelne Staaten geraten nicht mehr in einen fiskalischen Teufelskreis, und eine humanitäre Katastrophe, wie wir sie jetzt in Griechenland erlebt haben, kann auf gerechte Weise vermieden werden.

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