Nun verlässt also der zweite Deutsche die EZB, weil seine Ideologie mit der Realität nicht mehr kompatibel ist. Im Grunde würde ich dem keine Träne nachweinen, würde es nicht so aussehen, als würde Jörg Asmussen ihn ersetzen. Ja, der Asmussen von der neoliberalen Asmussen-Weidmann-Weber Seilschaft. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen.
Aber wenden wir uns den Inhalten zu. Der große Streit geht um die Tatsache, dass die EZB Anleihen einiger Euro-Mitgliedsstaaten kauft. Folglich steigt der Preis dieser Papiere, und ihre Rendite sinkt. Dadurch gelingt es einerseits den jetzigen Inhabern dieser Anleihen diese zu verkaufen, umgangssprachlich: los zu werden. Andererseits wird es den Staaten ermöglicht, neue Anleihen zu niedrigeren Zinssätzen auszugeben (der Zins, den die Staaten auf bereits ausgegebene Anleihen bezahlen, ändert sich natürlich nicht).
Rein pragmatisch gesehen ist das vermutlich notwendig, weil die betroffenen Staaten sonst durch einen Teufelskreis in den Bankrott getrieben würden, auch wenn sie ansonsten eigentlich solide dastehen würden. Hohe Renditen von Anleihen werden als Anzeichen interpretiert, dass diese Anleihen ein höheres Ausfallrisiko besitzen. Das verleitet Anleger dazu, diese Anleihen zu verkaufen (und sich von dem erlösten Geld Anleihen eines anderen Staats zu kaufen - dass die Rendite deutscher Anleihen seit Beginn der Finanzkrise im Schnitt deutlich gesunken ist hat mit unserer Wirtschaftspolitik herzlich wenig zu tun). Dadurch sinkt der Preis der Anleihen, was einem Anstieg der Rendite entspricht. Und damit erneuert sich der Kreislauf. Ein Herdentrieb, dem die EZB entgegenwirken kann, indem sie Anleihen der betroffenen Staaten kauft.
Menschen wie Axel Weber und Jürgen Stark (die beiden EZB-Deserteure) vertreten aber nun implizit eine Ideologie, laut der die Regierungen dem Diktat der Finanzmärkte unterworfen werden müssten, weil sie sonst durch ausufernde Staatsdefizite die Inflation beschleunigen würden. Da ihre Ideologie außerdem eine Begrenzung der Inflation über alles stellt - im Gegensatz zum Magischen Viereck einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik - gehen ihnen die Anleihekäufe gegen den Strich.
In der Tat ist die EZB für solche Aktionen denkbar ungeeignet. Es muss das Prinzip gelten, dass eine größere Regierungseinheit einspringt, wenn eine kleinere Einheit strauchelt. So ist es selbstverständlich, dass das Land eingreift, wenn eine seiner Kommunen in Finanzschwierigkeiten gerät. Der Haushalt der Kommune wird dann streng kontrolliert, aber die Kommune wird nicht den Haien zum Fraß vorgeworfen. Stattdessen greift das Land fördernd ein - auch mit zusätzlichen Ausgaben - um die Kommune wieder auf die Beine zu stellen. Genau dies muss nun auf europäischer Ebene geschehen.
Allerdings ist das ein höchst politischer Akt. Die Form des Eingriffs muss politisch entschieden werden, und die politische Entscheidung bedarf einer soliden demokratischen Legitimation. Der Ministerrat oder die in den Medien ausdiskutierten mehr oder weniger automatischen Mechanismen können dies nicht leisten, und die EZB schon gar nicht.
Die beste Lösung wäre, das Europäische Parlament zum monetären Souverän der Eurozone im Sinne der Modern Monetary Theory zu küren. Es ist hinreichend legitimiert, um mit einem eigenen Budget die notwendigen demokratischen Entscheidungen für Konjunkturpakete zu treffen. Diese Einsicht wird den Politikern auf nationaler Ebene leider schwer fallen, und so muss sich die EZB mit der Realität abfinden, bis diese oder eine vergleichbare Lösung implementiert ist, und weiter Feuerwehr spielen.
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