Freitag, September 10, 2010

Echte und imaginäre Schuldenprobleme

Ende letzter Woche geisterte eine Meldung des IWF durch die Medien, überwiegend vollkommen unreflektiert. Eine angenehme Ausnahme dazu war der Telepolis-Artikel zum Thema, dessen Autor über einige Ungereimtheiten in der Darstellung des IWF gestolpert ist.

Warum, kann man sich ja auch als Laie fragen, lebt Japan eigentlich schon seit langem mit Staatsschulden von weit über 100% des Bruttoinlandsproduktes ohne in Zahlungsverzug zu kommen, obwohl doch der IWF behauptet, 90% seien das tolerierbare Maximum? Und woher kommt überhaupt diese Grenze von 90%?

Die Modern Monetary Theory, mit der ich mich seit kurzem nebenbei beschäftige, scheint auch ein ziemlich vernichtendes Urteil über die Analysen des IWF auszusprechen, und also werde ich ein bißchen dazu ausschweifen, und wenn es nur ist, um jemanden hervorzulocken, der einen Fehler in der Logik finden kann. Vorsicht, es wird mal wieder länger.

Die IWF-Meldung ist so formuliert, als könne man Länder wie Irland, Griechenland oder Deutschland in eine Reihe mit Ländern wie die USA, Japan oder Island stellen. Laut Modern Monetary Theory kann das nur jemand behaupten, der die jeweiligen Geldsysteme nicht richtig versteht.

Die Länder der ersten Gruppe verwenden den Euro, den sie nicht kontrollieren. Die Regierungen dieser Länder unterliegen Budgetconstraints wie ein privater Haushalt und können daher insolvent werden. Diese Länder sind geldtechnisch eher mit US-Bundesstaaten oder mit den Haushalten der Kommunen zu vergleichen als mit souveränen Staaten.

Die Länder der zweiten Gruppe haben dagegen ihre eigene Währung, die sie jeweils monopolartig kontrollieren und die auf dem internationalen Markt frei gehandelt wird. Per Definition sind die Regierungen dieser Länder in ihrer eigenen Währung immer solvent, unabhängig davon, wie groß die Staatsschulden oder das Defizit sind. Wenn diese Regierungen ihre Schulden nicht begleichen würden, so wäre dies eine rein politische Entscheidung, die keinem grundlegenden Zwang unterliegen würde.

Das klingt nun erstmal unintuitiv, weil wir aus unserem persönlichen Alltag wissen, dass wir nicht beliebig solvent sind. Aber gelten die gleichen Grenzen auch für einen geldsouveränen Staat? Vielleicht sollten wir uns die Frage stellen, was Staatsschulden eigentlich sind. Dabei hilft zunächst eine andere Frage weiter: Was macht eigentlich eine Zentralbank in einem Fiat-Geldsystem?

Das ist eine interessante Frage. Sehen wir uns eine sehr typische Antwort an, die jemand auf Wikipedia geschrieben hat: Eine Zentralbank (auch Notenbank, Zentralnotenbank oder zentrale Notenbank) ist eine für die Geld- und Währungspolitik eines Währungsraums oder Staates zuständige Institution. In entwickelten Staaten ist das Hauptziel der Zentralbanken die Preisniveau- und Geldwertstabilität. Eine Zentralbank hält die Währungsreserve eines Währungsraumes, refinanziert Geschäftsbanken und den Staat. [...]

Diese Antwort gibt leider ein alles anderes als klares Bild von der Funktion einer Zentralbank. Dabei ist die Antwort im Grunde sehr banal. Als allererstes ist die Zentralbank eine Bank - und zwar die Bank, die "alles" Geld verwaltet. (Wenn die Familie aus meinem letzten Post zu diesem Thema ihre Coupons elektronisch in einer Tabellenkalkulation verwalten würde, dann wäre die Zentralbank die Institution, die die Tabelle verwaltet.)

Jede Bank hat ein Konto bei der Zentralbank.

Wenn die Regierung mir Geld gibt, dann erhöht die Zentralbank den Kontostand meiner Bank bei der Zentralbank um den entsprechenden Betrag und weist meine Bank an, ihre internen Tabellen auch entsprechend anzugleichen.

Wenn ich an die Regierung Steuern oder Gebühren bezahle, dann reduziert die Zentralbank den Kontostand meiner Bank bei der Zentralbank um den entsprechenden Betrag und weist meine Bank an, ihre internen Tabellen auch entsprechend anzugleichen.

Wenn ich Geld an Frau XX überweise, deren Konto bei der gleichen Bank liegt, dann passt die Bank ihre internen Tabellen an und auf Ebene der Zentralbank passiert nichts.

Wenn ich Geld an Herrn XY überweise, dessen Konto bei einer anderen Bank liegt, dann überweist meine Bank den entsprechenden Betrag von ihrem Konto bei der Zentralbank auf das Zentralbank-Konto der Bank von Herrn XY, und beide Banken passen ihre internen Tabellen an.

Natürlich ist das eine Vereinfachung; aus Praxis- und Buchhaltungsgründen können irgendwo mehr Schritte versteckt sein. Zum Beispiel können Banken ihre Geschäfte untereinander bündeln, und lediglich einmal am Tag gegenrechnen, was sie sich schulden. So fällt auf Zentralbankebene weniger Verwaltungsaufwand durch Überweisungen an. Aber funktional passiert alles genau wie beschrieben, so weit es für das Zusammenspiel von öffentlichem (Regierungs-)Sektor und privatem Sektor im Hinblick auf Geld relevant ist.

Beobachtung: Die Regierung benötigt kein Konto bei der Zentralbank. Dass geldsouveräne Regierungen in der Praxis trotzdem ein Konto bei der Zentralbank haben, hat wohl primär historische und politische Gründe, wobei es sicher auch zur Buchhaltung praktisch sein kann. Zwingend ist es jedenfalls nicht.

Beobachtung: Geld kann die Zentralbank niemals verlassen. Alles Geld, das jemals von der Regierung (bzw. der Zentralbank) in Umlauf gebracht wurde, bleibt immer auf einem Konto bei der Zentralbank liegen, bis es wieder von der Regierung (bzw. der Zentralbank) eingezogen wird.

Was ist also das "Geld", das auf unseren privaten Konten liegt? Es ist sekundäres Geld. Konkret ist es eine Verpflichtung der Bank uns gegenüber. Die Bank garantiert uns, dass wir mit diesem "Geld" so verfahren können, als wäre es Geld ohne Anführungszeichen.

Das Faszinierende dabei ist, dass praktisch alles "Geld", das im Umlauf ist, in Wirklichkeit sekundäres Geld ist. Die Folge ist, dass es Definitionen von Geldmenge praktisch wie Sand am Meer gibt. Eine gute Faustregel ist daher: Wenn jemand von "Geldmenge" redet, sollte man vorsichtig sein. Mit nicht vernachlässigbarer Wahrscheinlichkeit weiß derjenige selbst nicht genau, wovon er eigentlich redet, und man sollte seine Behauptungen kritisch darauf prüfen, ob sie einer logischen Untersuchung standhalten, und ob nicht womöglich fehlerhafte Annahmen zugrundeliegen.

Diese Warnung gilt übrigens auch für mich selbst, da die verschiedenen Geldmengenbegriffe für mich noch ziemlich schlüpfrig sind. Zum Glück scheinen sie für das grundlegende Verständnis nicht zu wichtig zu sein. Aber zurück zum Thema.

Wie gesagt kann nur der Staat Geld in Zentralbankkonten erzeugen. Banken erzeugen aber ständig sekundäres Geld, indem sie Kredite an Privatpersonen und -firmen vergeben. Die Summe aller Kontostände bei der Bank ist dadurch regelmässig größer als der Kontostand der Bank selbst bei der Zentralbank. Natürlich wird die Bank, wenn das System funktioniert, durch die Bankenaufsicht und entsprechende Buchhaltungsvorschriften daran gehindert, unseriös zu handeln und im Extremfall Schneeballsysteme zu produzieren. Wie man sieht kann das durchaus schiefgehen, aber darum geht es hier nicht.

Der Punkt ist, dass der Kontostand einer Bank bei der Zentralbank auch, wenn alles nach Plan funktioniert, regelmässig ins Minus rutschen kann (was nicht unbedingt bedeutet, dass die Bilanz der Bank negativ ist!).

Der Staat sieht das nicht gerne. Wenn er Banken regelmässig einfach so erlauben würde, ihr Konto zu überziehen, würde er de facto sein Geldmonopol aufgeben. Also verbietet er den Banken, ihren Kontostand bei der Zentralbank unter einen bestimmten Betrag fallen zu lassen.

Und jetzt kommen wir endlich auf die "klassische" Antwort nach der Funktion der Zentralbank zu sprechen!

Gegen entsprechende Sicherheiten können sich Banken bei der Zentralbank kurzfristig Geld leihen zu einem Zinssatz, der nach politischen Erwägungen von der Zentralbank bestimmt wird. Die Fed nennt diesen den Diskontsatz. Bei der EZB heißt er Spitzenrefinanzierungssatz.

Liegt eine Bank mit ihrem Zentralbankkonto im Plus, so gibt es bei manchen Zentralbanken dafür Guthabenzinsen. Bei der EZB nennt sich das Einlagefazilität. Auch dieser Zinssatz wird nach politischen Erwägung von der Zentralbank bestimmt, und bei vielen Zentralbanken liegt er bei 0%.

Damit bietet sich eine Geschäftsgelegenheit für die Banken. Anstatt von der Zentralbank Geld zu leihen, kann eine Bank versuchen, bei einer anderen Bank zu leihen, deren Zentralbankkonto gut gefüllt ist. So entsteht ein für beide Banken profitables Geschäft, da beide einen für ihre jeweilige Situation günstigeren Zinssatz heraushandeln können. Das Ganze nennt sich dann Interbankenmarkt, auf dem sich der (Overnight-)Zinssatz für Banken herausbildet. Politisches Ziel der Zentralbanken ist in der heutigen Praxis, diesen Zinssatz zu kontrollieren.

Zurück zum Thema: Was hat diese Geschichte eigentlich mit Staatsschulden zu tun?

Wie wir letztes Mal gesehen haben ist es in der Regel - solange der private Sektor sparen will - vernünftige Politik, wenn die Regierung mehr Geld ausgibt als sie durch Steuern wieder einzieht. Zwangsläufige Folge ist, dass die Menge an Geld, die auf Zentralbankkonten liegt, steigt - ich erinnere daran, dass Geld aus Zentralbankkonten nur verschwinden kann, indem die Regierung es einzieht.

Langfristig wird dann also jede Bank einen ordentlichen Überschuss auf ihrem Zentralbankkonto liegen haben. Wenn sich aber keine Bank mehr Geld leihen muss, schläft der Interbankenmarkt ein und der Zinssatz für Banken sinkt praktisch auf 0%, oder was auch immer der Zinssatz ist, den die Zentralbank für Guthaben ausgibt.

Man kann darüber streiten, ob das schlimm ist. In den Zentralbanken sitzen aber nunmal überwiegend Monetaristen, die glauben, dass sich eine ganze Volkswirtschaft effektiv steuern lässt, indem man einen einzigen Parameter - nämlich den Zinssatz für Banken - kontrolliert. Auf mich persönlich wirkt das eher wie ein Glaubensbekenntnis (damit meine ich das "effektiv"; dass sich der Zinssatz auf die Wirtschaft auswirkt, ist unbestritten). Jedenfalls wollen sie diese Kontrolle nicht verlieren, sie aber nur indirekt ausüben.

Wenn man diese Prämissen bzw. diese politische Entscheidung akzeptiert, dann ist die logische Schlussfolgerung, dass die Zentralbankkonten geleert und dadurch der Interbankenmarkt aktiviert werden muss. Und wie macht man das? Mit Staatsschulden!

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, weil es dem landläufigen Verständnis von Staatsschulden so krass widerspricht.

Die Zentralbank will die Zentralbankkonten im Schnitt möglichst leer halten, weil dadurch ein Teil der Banken gezwungen wird, kurzfristig Geld zu leihen. Das belebt den Interbankenmarkt, so dass sich ein positiver Zinssatz für Banken herausbildet.

Aber wir haben gelernt, dass nur die Regierung Geld aus Zentralbankkonten entfernen kann. Mit Steuern sollte sie das in diesem Fall nicht machen, weil das mit den Sparzielen des privaten Sektors kollidieren und dadurch die Wirtschaft abwürgen und Arbeitslosigkeit erzeugen würde (siehe mein Beispiel zur Entstehung von Arbeitslosigkeit hier). Also verkauft die Regierung stattdessen Wertpapiere, und diese Wertpapiere werden Staatsschulden genannt.

Wenn die Regierung ein solches Wertpapier verkauft, dann reduziert sie den Zentralbankkontostand der Bank des Käufers um den entsprechenden Betrag und gibt ihm im Gegenzug das Papier.

Wenn ein solches Wertpapier ausläuft, schreibt die Regierung den entsprechenden Betrag dem Zentralbankkonto der Bank des Besitzers gut.

Beobachtung: Staatsschulden haben nichts damit zu tun, ob die Regierung Geld ausgeben kann oder nicht.

Beobachtung: Staatsschulden sind nicht Fiskalpolitik, sondern Geldpolitik.

Ein geldsouveräner Staat kann seine Schulden also immer begleichen, woran man sieht, dass die Schuldendebatte bezüglich solcher Länder ziemlich meschugge ist.

Heißt das, es gibt keine Probleme? Ich bin mir darüber noch nicht ganz im Klaren.

Solange die Staatsschulden nur vom privaten Sektor im Inland gehalten werden, sind Staatsschulden wohl wirklich eher ein gutes als ein schlechtes Zeichen. Schließlich entsprechen Staatsschulden, wie wir oben gelernt haben, einfach dem Sparvermögen der eigenen Bürger, und das Staatsdefizit entspricht ihren Sparzielen.

Sollten sich die Sparziele der Bürger irgendwann ändern, müsste die Regierung darauf natürlich reagieren und womöglich irgendwann mehr Steuern einziehen als Staatsausgaben getätigt werden, wenn sie eine Preissteigerung verhindern will. Aber auch das würde am Ende nur bedeuten, dass sich die Bürger eben mehr reale Werte leisten und den daraus folgenden Lebensstandard genießen. Da kann man wohl kaum dagegen sein. (Ungleiche Verteilung von Sparvermögen sind ein davon unabhängiges Thema.)

Wenn ein großer Teil der Staatsschulden vom Ausland gehalten wird, kann das Thema womöglich eine außenpolitische Dimension gewinnen. Darüber muss ich auch noch nachdenken. Wenn das Ausland große Mengen der Währung loswerden will, würde sich der resultierende Effekt aber vermutlich durch eine entsprechende Änderung der Wechselkurse automatisch selbst dämpfen.

Eins ist in jedem Fall klar. Wenn die Regierung einfach nur versucht, ihr Defizit zu reduzieren, dann wird darunter der private Sektor im Inland leiden, bevor sich die Maßnahmen auf die vom Ausland gehaltenen Staatsschulden auswirken. Das bedeutet, dass der eigenen Wirtschaft durch Arbeitslosigkeit Know-How verlorengeht, und das Land insgesamt für zukünftige Probleme schlechter gerüstet sein wird.

Wer sich von Defiziten und Staatsschulden blenden lässt und darüber die reale Welt vergisst, kann am Ende nur verlieren.

Was folgt daraus für die Eurozone?

Gute Frage. Für die Staaten der Eurozone gilt nichts von dem, was ich oben geschrieben habe, weil sie tatsächlich wie ein privater Haushalt wirtschaften müssen. Durch den Eintritt in die Eurozone haben wir freiwillig volkswirtschaftlichen Handlungsspielraum aufgegeben, ohne auf Ebene der Eurozone eine Institution zu schaffen, die das ausgleichen würde. Das ist ein ernstes Problem.

Grundsätzlich gibt es zwei naheliegende Möglichkeiten, die volkswirtschaftliche Handlungsfähigkeit wieder herzustellen: erstens die Auflösung der Eurozone; zweitens die Einführung einer Wirtschaftsregierung für die Eurozone.

Beide Varianten sind aus Sicht von Modern Monetary Theory tragbar, wenn die jeweiligen souveränen Regierungen dann auch wirklich verstehen, wie ihr Geldsystem funktioniert. Ich persönlich würde - aus politischen Erwägungen - die zweite Variante bevorzugen, und zwar so, dass der Eurozonen-Haushalt ausschließlich von einem auf die Abgeordneten der Euro-Länder reduzierten Europäischen Parlament kontrolliert wird - wie es sich bei einer Demokratie gehört.

Praktisch stehen dieser Lösung natürlich jede Menge mit kleinen Karos bemalte Hürden im Weg. Warren Mosler, einer der Vertreter von Modern Monetary Theory, schlägt zumindest eine drastische, aber überlegenswerte Übergangslösung vor.

Aber das ist eine andere Geschichte, über die ich vielleicht ein andermal schreiben werde.

4 Kommentare:

Tar hat gesagt…

Hallo,

ich möchte dich nur kurz darauf aufmerksam machen, dass deine Annahme (oder wohl: eine Annahme der MMT?), dass Zentralbankengeld (ZBG) nur und ausschließlich durch die Regierung (durch Steuereinzug) verschwinden könne, nicht korrekt ist.

Es gibt etliche notenbankfähige Sicherheiten (bspw. Hypotheken), mit denen in Wertpapierpensionsgeschäften ZBG erzeugt und wieder vernichtet wird. Die Staatsanleihen (quasi das Instrument zum Schuldenmachen der Regierung über das Schatzamt (hier in Deutschland die Bundesfinanzagentur GmbH)) sind nur eine Teilmenge dieser notenbankfähigen Sicherheiten.

Desweiteren stört mich noch die unrealistische Annahme der MMT, jeder Staat, der monetär souverän sei (wie bspw. Simbabwe), könne seine Schulden laufend bedienen. Hierbei wird aber das notwendige Vertrauen in die Schuldtitel der Regierung (bzw. deren Währung) nicht beachtet - ich fand zumindest nicht einmal eine Erwähnung in diese Richtung.

Bzgl. den USA hat aber auch die militärische Stärke und gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit einen immensen Einfluss auf die nahezu globale Akzeptanz des Dollars. Das äußert sich insbesondere darin, dass die Chinesen ihre irrsinnigen Dollar-Reserven nicht in den USA investieren dürfen. Statt nun ihre Reserven abzuschreiben (wirtschaftlicher Selbstmord) oder einzuklagen (Sanktionsdrohung, Krieg), investieren sie derweil in Afrika... ich schweife ab.

Ich möchte abschließend nochmal festhalten, dass es bisher noch keinem noch so souveränen Staat (und souverän wird übrigens jeder Staat - spätestens in seiner Endphase) gelang, den eigenen Staatsbankrott zu vermeiden. Insbesondere das Anschmeißen der Druckerpresse hat spätestens dann ein Ende, wenn die Kosten für das Drucken den aufgeprägten Wert (der sich dann eh willkürlich bestimmt) übersteigen.

Gruß!

Tar hat gesagt…

Ach nochwas, du schreibst:

> Wenn ein solches Wertpapier ausläuft, schreibt die Regierung den entsprechenden Betrag dem Zentralbankkonto der Bank des Besitzers gut.

Das kann sie aber nur mit bereits vorhandenen(!) Mitteln machen, die sie eben a) aus Steuereinnahmen oder b) aus Anleihenverkauf erhalten konnte.

Da auf Anleihen nun auch noch Zinsen fällig werden, braucht sie auch noch mehr als sie selbst einst durch den Erlös dieser Anleihe erhalten hatte.

Gehen wir da mal gedanklich zu deinem Eltern-Beispiel zurück: Da sitzt der Papa und will Coupons verkaufen. Wer kauft sie ihm womit(!) ab? Und selbst Mäxchen ihn irgendwas bezahlt hätte (was auch immer), Papa dieses irgendwas als Staatsausgabe wieder zu Mäxchen geschafft hätte und über Steuern noch vor Ablauf der Anleihe wieder eingenommen hätte, so fehlte ihm der Zins zur Bedienung des Coupons. Und ohne Zins (Profit für Mäxchen), sieht Mäxchen wohl kaum einen Anreiz, diesen Coupon überaupt abzukaufen.

Nun zur Realität: hier haben wir die Zentralbank, die das anfängliche Dilemma auflösen kann, indem die verkaufte Anleihe noch vor Bezahlung in Pension gegeben werden kann, wodurch ZBG entsteht, mit dem der Anleihekäufer die Regierung bezahlt. Vor Ablauf der Anleihe wird das Pensionsgeschäft aufgelöst und es verschwindet ZBG. Dann muss der Staat die Anleihe samt Zins zurückkaufen.

Wie macht er das?! Exakt: er begibt einfach eine neue Anleihe mit höherem Nennwert - und die will ja abgekauft werden, was sie i.d.R. auch wird, insofern die Rendite stimmt und das Risiko nicht zu hoch wird. Und da sind wir früher oder später bei Simbabwe, was aber grundsätzlich daran liegt, dass die Regierung im Interesse ihrer Wähler und Investoren, deren Eigentum garantieren und mehren soll - und somit eben nicht(!) saldenmechanisch neutral oder "fair" besteuern KANN (um 'Überschüsse zu fahren').

Gruß!

Nicolai Hähnle hat gesagt…

Hallo Tar,


>> Wenn ein solches Wertpapier
>> ausläuft, schreibt die Regierung den
>> entsprechenden Betrag dem
>> Zentralbankkonto der Bank des
>> Besitzers gut.
>
> Das kann sie aber nur mit bereits
> vorhandenen(!) Mitteln machen, die
> sie eben a) aus Steuereinnahmen oder
> b) aus Anleihenverkauf erhalten
> konnte.

Eben das ist nicht richtig. Mag sein, dass souveräne Regierungen sich zur Zeit freiwillig solchen Regeln unterwerfen, aber das Schlüsselwort ist freiwillig.

In Wirklichkeit ist die Zentralbank eines geldsouveränen Staates letztlich an die Weisungen der Regierung gebunden, und wenn die Regierung sagt, dass ein bestimmter Betrag auf ein Konto gutgeschrieben werden soll, dann muss die Zentralbank das tun, da sie letztlich einfach nur ein Teil der Regierung ist.

(Politische Fragen der Gewaltenteilung klammere ich hier natürlich aus)

Deine Analogie zu dem Eltern-Beispiel ist in der Sache falsch. In meinem Eltern-Beispiel hatte ich keine Anleihen eingeführt, aber das kann man natürlich nachholen: Die Eltern bieten ihren Kindern an, die Coupons/das Familiengeld gegen ein Papier einzutauschen, das den Kindern eine regelmässige Zinsauszahlung in Coupons, sowie die Rückzahlung des ursprünglichen Preises in Coupons garantiert.

Mit anderen Worten: mit dem Papier erwerben die Kinder einen Anspruch, zu bestimmten Zeiten eine bestimmte Menge Coupons zu erhalten, während die Eltern die Verpflichtung eingehen, zu bestimmten Zeiten eine bestimmte Menge Coupons an die Kinder zu geben.

Nichts hindert die Eltern daran, dieser Verpflichtung dann auch nachzukommen.

Es ist also nicht, wie du sagst, der Papa, der Coupons verkaufen will, sondern es sind die Kinder, die das Wertpapier zurücktauschen wollen gegen Coupons.

Nicolai Hähnle hat gesagt…

Mir fallen nachträglich noch zwei Anmerkungen ein:

1. Wenn du eine klare Übersicht über all diese von dir erwähnten Geschäfte irgendwo kennst, wäre ich über einen Hinweis dankbar. Wirtschaftswissenschaftler zeichnen sich nicht gerade durch den Hang zur Klarheit aus.

2. Deine Erwähnung von Simbabwe ist unsachlich. Bitte setze dich noch einmal genau mit den geschriebenen Aussagen auseinander. Mir ist nicht bekannt, dass die Regierung von Simbabwe jemals in ZWN notierte Schulden nicht zurückbezahlt hat. Wieso sollte sie dies auch verweigern, wo sie doch sowieso ständig neue Banknoten gedruckt hat? ;)

(Die Frage, was in Simbabwe zu Hyperinflation geführt hat ist eine andere. Sicher ist erstens, dass die Regierung dort ziemlich viel Mist gebaut hat, und zweitens, dass es praktisch keine verlässlichen Daten darüber gibt. Viele Stellen machen Angaben über die Volkswirtschaft von Simbabwe sogar in US$, was angesichts der extremen Währungsschwankungen vollkommen unsachlich ist.)