Dienstag, Dezember 20, 2011

Die blinden Flecken des ifo-Instituts

Der Oeffinger Freidenker verlinkt heute auf ein Papier, das aus dem Dunstkreis der ifo-Instituts kommt, und kommentiert dabei gleichzeitig wahrscheinlich den meisten Lesern aus dem Herzen.

Aber wie ist es mit den Inhalten des Papiers? Es dürfte für den Leser schon einmal interessant sein, zu wissen, dass das ifo-Institut die Heimat des allseits beliebten Prof. Unsinn ist. Dementsprechend wenig überraschend werden in dem Papier einige Dinge geflissentlich ignoriert. Das ist typisch für die Herkunft des Papier, aber leider müssen diese Dinge doch immer wieder dokumentiert werden. Hier sind die drei Wichtigsten:

  1. Die Rolle des deutschen Exportwahns wird unterschlagen. Tatsächlich begann die im Papier erwähnte "Kapitalflucht" erst in so richtig überwältigendem Ausmaß, nachdem Deutschland dank Lohn-Dumping zum Netto-Exporteur wurde. Das ist aber auch wenig überraschend: der Leistungsbilanz müssen zwangsläufig entsprechende Kapitalflüsse gegenüberstehen.

    Will man die "Kapitalflucht" beenden, so gibt es dazu also ein ganz einfaches Mittel: beendet den Netto-Exportwahn. Eine solche Lösungsmöglichkeit wird in dem Papier aber nicht erwähnt.

  2. Fast schon ein Klischee ist der Hinweis auf die Hyperinflation der Weimarer Republik, ohne auf die eigentlichen Ursachen einzugehen. Zu Letzeren gibt es ein gutes Papier von Cullen Roche.

    Die Kurzfassung ist: übertrieben hohe Kriegsschulden kombiniert mit einem Kollaps der produktiven Kapazität in Folge der Ruhrbesetzung haben die deutsche Situation untragbar gemacht. Die Hyperinflation war dann das kleinere Übel, da man den Siegermächten auf diese Weise klar machen konnte, dass es so nicht weitergehen kann.

  3. Es wird auf Konkurse und die niedrige Verschuldung der Bundesstaaten der USA eingegangen. Das ist richtig. Aber wer auf die USA hinweist, muss auch darauf hinweisen, dass es dort eine zentrale Bundesregierung gibt, deren Haushalt mehr als 20% des BIP ausmacht, und deren Schulden bekanntermaßen auch nicht gerade gering sind.

    In der Tat erfordert eine solide Korrektur der Eurozone, dass eine zentrale Regierung mit einem zentralen Haushalt für die gesamte Eurozone geschaffen wird. Der schnellste und demokratischste Weg dorthin wäre, dem Europäischen Parlament die Befugnisse des monetären Souveräns zu geben. Ich habe über diese Option bereits früher geschrieben, z.B. hier.

Auch von der merkwürdigen Fixierung auf die Target-Salden hat sich das ifo-Institut anscheinend immer noch nicht befreien können. Es ist richtig, dass das ESZB nicht vollständig konsolidiert ist und deshalb die nationalen Zentralbanken als Teil des Systems weiter existieren. Genauso richtig ist, dass die Bundesbank innerhalb dieses Systems gigantische Forderungen an andere nationale Zentralbanken angesammelt hat. Das sind Folgen des bereits erwähnten und von mir, nicht aber von den Autoren des Papiers, kritisierten deutschen Netto-Exportwahns. Diese Forderungen würden beim Zerfall des Eurosystems vermutlich wertlos werden.

Falsch ist aber, dass dies zwangsläufig Kosten für "den Steuerzahler" zur Folge hätte. Es handelt sich schließlich um Forderungen. Niemand in Deutschland hat sich in diesem Kontext für etwas verpflichtet, das er nach einem Zerfall des Eurosystems nicht erfüllen könnte. Sicher, die Bilanz der Bundesbank sähe etwas merkwürdig aus. Aber es ist nur eine Bilanz: im Zuge der Gesetzgebung für eine Wiedereinführen der Mark könnte dieses "Problem" mit einem Federstrich gelöst werden.

Für mehr habe ich im Moment keine Zeit. Nur eine abschließende Bemerkung sei mir noch gestattet. Das Papier arbeitet mit einem typischen Trick der Meinungsmache: die meisten Aussagen die in ihm gemacht werden sind durchaus korrekt. Die politische Lüge liegt in den Dingen, die verschwiegen werden. Genau das macht das ifo-Institut so unsympathisch: seine politisch orientierten Veröffentlichungen sind durchtränkt von intellektueller Unehrlichkeit und Manipulation.

Der Vergleich mit den USA ist das Paradebeispiel dafür. Es kann keiner behaupten, dass er die zentrale Bundesregierung dort bei seinen Überlegungen einfach übersehen hat. Warum wird sie in dem Papier trotzdem nicht einmal erwähnt? Die Antwort ist, für mich, ganz einfach: weil den Autoren klar ist, dass eine Erwähnung ein politisches Umdenken erfordern bzw. auslösen würde, und das will man um jeden Preis vermeiden.

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