Als Student hat man's nicht leicht; als Studentin auch nicht, aber erstens kann ich da weniger aus Erfahrung sprechen und zweitens will ich Frauen nicht durch doppelte Erwähnung bevorzugen. Daher belasse ich es im Folgenden beim einfachen generischen Maskulin in der Hoffnung, meine Leserinnen können diese Entscheidung nachvollziehen.
Es gibt viel zu tun im Studium, und das Klischee vom nichtstuenden Studenten ist, seit der Einführung von Bachelorstudiengängen sowieso, leider ziemlich falsch. Natürlich ist das aus egoistischen Gründen zu bedauern, aber das "leider" ist in diesem Fall gar nicht egoistisch gemeint - oder vielleicht doch, je nachdem aus welcher Warte man das Folgende betrachten mag.
Viel zu tun zu haben (auf bolognadeutsch nennt man das eine hohe Workload) hat nämlich - oh Wunder - zur Folge, dass man als Student weniger Leerlauf hat und damit nicht die Ruhe zur distanzierten Reflexion findet. Für erbsenzählende Wirtschaftswissenschaftler mag das in Ordnung sein (und der erboste Wirtschaftswissenschaften studierende Leser möge beachten, dass vor dem Nomen bewusst ein Adjektiv steht), für Mathematiker ist es fatal.
Am Besten erzähle ich dazu eine kleine Geschichte. Ich war in der letzten Woche in Lausanne zu Besuch bei Prof. Eisenbrand. Vordergründig ging es darum, meine Diplomarbeit voranzubringen, und das hat auch ganz gut geklappt. Viel wichtiger war aber, dass ich dort zwar in einer arbeitsamen Atmosphäre war, aber doch dem belasteten Unialltag entrückt.
Diese Kombination hat dazu geführt, dass ich mit einer neuen Ruhe über Kategorien nachgedacht habe, obwohl diese überhaupt nichts mit meiner Diplomarbeit zu tun hat. Ich hatte mit ihr vor über einem Jahr in der Vorlesung Darstellungen von Köchern zum ersten Mal Kontakt, aber so richtig anfreunden konnte ich mich mit all den kommutativen Diagrammen und universellen Eigenschaften nie.
Frei von jeglichem Druck von außen hat es in Lausanne dann auf einmal in ganz vieler Hinsicht geklickt. Es fällt mir schwer zu beschreiben, was da genau passiert ist. Jedenfalls verstehe ich jetzt auf intuitivere Art, was eine universelle Eigenschaft ist, was projektive und injektive Moduln oder Produkte und Coprodukte sind.
Diese Art der Erkenntnis lebt davon, dass man in Ruhe über ein Thema nachdenkt, dem eigenen Tempo und den eigenen Bedürfnissen folgend. Sie erfordert, dass man sich selbst Fragen stellt und nach ihren Antworten sucht. Dafür braucht es Langeweile. Sie ist die Mutter der Erkenntnis.
Donnerstag, Mai 15, 2008
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