Heute geht es mir um einen anderen Aspekt. Das Urheberrecht währt unheimlich lange, nämlich Lebenszeit des Urhebers plus 70 Jahre. Das wirft zwei Fragen auf:
- Ist das überhaupt fair? Warum sollten die Kinder und Enkel eines Komponisten noch Geld für sein Werk bekommen, ohne dafür einen Finger zu rühren? Wenn ein Schreiner einen kunstvollen Schrank zimmert, bekommen seine Enkel dafür schließlich auch kein Geld mehr.
- Was passiert mit den Werken, die für den Urheber oder seine (de facto-)Rechtsnachfolge nicht mehr interessant sind?
Zugegeben, die erste dieser Fragen ist etwas polemisch, und ich will sie zunächst auch gar nicht weiter verfolgen. Trotzdem ist sie ernst gemeint. Schließlich handelt es sich beim Urheberrecht um eine Art gesetzlich gewährtes Monopol. Dieses Monopol ist sinnvoll, um Kreativität und Kultur zu fördern - das steht nicht in Frage. Aber warum sollte es weit über ein Jahrhundert andauern können?
Dennoch ist die zweite Frage meiner Meinung nach wichtiger, da sie unsere Kulturgeschichte härter trifft. Leider wird bei Diskussionen um das Urheberrecht oft nur über die "großen" Werke geredet. Damit sind in der Regel die Werke gemeint, die den Mitgliedern der großen Interessensvertretungen viel Geld einbringen. Weder die Songs der Beatles noch Mickey Mouse werden in absehbarer Zeit von der Erdoberfläche verschwinden. Auch Charlie Chaplin kann man als DVD kaufen, und daran wird sich so schnell nichts ändern.
Aber was passiert zum Beispiel mit alten Filmen, für die sich außer einer handvoll Filmliebhaber niemand mehr interessiert? Eigentlich müsste man diese Filme digitalisieren und in modernen Formaten archivieren, wie auch die Politik verstanden hat. Dummerweise würde sich ein engagierter Fan womöglich strafbar machen, wenn er genau das tut.
Ein drastischeres Beispiel sind Computerspiele, deren kulturellen Wert inzwischen selbst der Bundestag ganz offiziell anerkannt hat. Trotz dieser Anerkennung gibt es eine ganze Reihe von Klassikern, die von der Vernichtung bedroht sind. Diese alten Spiele sind nicht mehr auf dem aktuellen technischen Stand und daher für den Markt uninteressant. Die Rechteinhaber verkaufen diese Spiele nicht mehr, weil das für sie finanziell uninteressant ist. Einige Spieleliebhaber wollen sich damit nicht abfinden und machen sich strafbar, indem sie diese Spiele kopieren und zur Verfügung stellen.
In beiden Fällen ist es natürlich so, dass das Interesse der Rechteinhaber am jeweiligen Werk in der Regel so gering ist, dass sie die Menschen einfach machen lassen und die Rechtsverletzung nicht anzeigen. Dennoch bleibt ein fahler Nachgeschmack, denn letztlich müssen sich besagte Film- und Spieleliebhaber unverdient in eine legale Grauzone begeben. Die Situation ist in Wirklichkeit auch nicht im Interesse der Rechteinhaber, denn wer einmal ein zwanzig Jahre altes Spiel illegal kopiert hat, kopiert demnächst vielleicht ein zwei Jahre altes Spiel illegal.
Dabei ist die Lösung ganz einfach.
Zunächst erfordert sie eine fundamentale Einsicht. Die Ausdehnung der Urheberrechtsdauer weit über die Lebensdauer des Urhebers hinaus ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Medienkonzerne ihre langfristigen Cash Cows schützen wollen. Was ich davon persönlich halte, behandele ich vielleicht zusammen mit der am Anfang gestellten Fairnessfrage ein andermal. Fakt ist jedenfalls, dass wir es hier mit einem unglaublich starken Lobbyinteresse zu tun haben, dem sich entgegenzustellen für die geschilderte Problematik nur kontraproduktiv wäre.
Das ist zum Glück auch gar nicht notwendig, denn nur ein kleiner Anteil aller jemals veröffentlichten Werke wird zu solchen Cash Cows. Der jeweilige Anteil variiert von Branche zu Branche - bei Büchern, Filmen und Musik ist er sicherlich höher als bei Computerspielen, wo er etwa bei 0% liegen dürfte - aber in jedem Fall ist der weit überwiegende Anteil aller Werke lange vor dem Ende seines Urheberrechtsschutzes nicht mehr finanziell interessant. Daher mein Vorschlag:
So wie heute üblich soll jedes in Frage kommende Werk automatisch urheberrechtlich geschützt werden, jedoch für zunächst maximal 14 Jahre. Diese Frist kann vor Ablauf jeweils um weitere 14 Jahre verlängert werden, bis zur heute festgeschriebenen Maximaldauer. Die Verlängerung erfolgt durch Eintragung bei der Deutschen Nationalbibliothek gegen eine kostendeckende Verwaltungsgebühr.
Die Folge wäre, dass die maximale Dauer des Urheberrechts in der Regel nur noch bei den Werken ausgeschöpft würde, von denen der oder die Urheber bis zum Schluss finanziell profitieren. Diese Werke bleiben aus naheliegenden Gründen sowieso im kulturellen Gedächtnis. Alle anderen Werke werden zum Gemeingut und können so ebenfalls ins kulturelle Gedächtnis einfließen, solange sich wenigstens ein Mensch dafür interessiert.
Die Frist von 14 Jahren ist übrigens nicht aus der Luft gegriffen. Es ist angesichts der heutigen Situation im Urheberrecht vielleicht überraschend, aber tatsächlich war das erste amerikanische Urheberrecht auf zunächst 14 Jahre beschränkt, Ähnliches findet man in Großbritannien. Wenn man dazu bedenkt, dass die Welt heutzutage wesentlich schnelllebiger ist als damals, so erscheint der Unterschied noch krasser. Immerhin verbreitet sich ein urheberrechtlich geschütztes Werk in unserer vernetzten Welt sicherlich schneller als damals, so dass Urheber heutzutage schneller finanziellen Nutzen aus ihren Werken erzielen können.
Im Übrigen wäre auch interessant, für die Verlängerung des Urheberrechts über eine progressive Gebühr nachzudenken. So könnte sich die Gebühr für jede Verlängerung um 14 Jahre jeweils verdoppeln. Auf diese Weise wäre dem mit der Zeit wachsenden gesellschaftlichen Interesse an der freien Verfügbarkeit von alten Werken noch besser Rechnung getragen.