Donnerstag, April 12, 2012

Wie funktionieren Überweisungen?

Ich schreibe auf diesem Blog immer wieder über volkswirtschaftliche Themen aus der in Deutschland nicht weit verbreiteten Perspektive der Modern Monetary Theory. Damit verbunden sind neue und kreative Lösungsansätze für die wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit. Leider werden die Auswirkungen dieser Lösungsansätze oft falsch analysiert, weil wir einen massiven Bildungsmangel haben. Die wenigsten Menschen wissen, wie unser Geldsystem eigentlich funktioniert. Deshalb widme ich mich heute einem ganz unkontroversen aber grundlegenden und daher wichtigen Thema.

Jeder weiß, wie man eine Überweisung tätigt. Man füllt einen Überweisungsträger aus und wirft ihn in den dafür vorgesehenen Briefkasten der Bank. Man geht mit der Bankkarte zum automatischen Bankingterminal und gibt die Überweisungsdaten ein. Oder man nutzt mit dem eigenen Computer das Onlinebanking. Aber was geschieht eigentlich hinter den Kulissen?

Wir wollen das einmal an Hand eines ersten Beispiels verfolgen. Herr Albrecht, Kunde der Berliner Beispielbank BB, möchte 1000€ an Frau Bartel überweisen, die ihr Konto ebenfalls bei der BB führt.

Die Überweisungsdaten werden an ein Rechenzentrum der Bank geschickt und dort verarbeitet. Irgendwo in dem Rechenzentrum gibt es eine große Tabelle mit den Kontoständen aller Kunden der BB-Bank. Da sowohl das Konto von Herrn Albrecht als auch das Konto von Frau Bartel in dieser Tabelle stehen, muss die Bank nur die Einträge in dieser Tabelle ändern, und schon ist die Überweisung abgeschlossen.



Die gesamte Überweisung besteht alleine darin, dass die Bank ihre (elektronischen) Bücher anpasst. Das ist alles. Natürlich werden auch die Details der Überweisung irgendwo gespeichert, damit sie auf dem nächsten Kontoauszug bereitgestellt werden können, und um die rechtlichen Dokumentationspflichten zu erfüllen. Solche Details sind für uns allerdings weniger wichtig.

Durch die Überweisung ändert sich implizit auch die Bilanz der Bank. Einlagen der Kunden stehen auf der Passivseite der Bankbilanz, weil es sich dabei aus Sicht der Bank um Verbindlichkeiten bzw. Schulden handelt. Als Bankkunde mit Einlagen hat man eine Forderung gegenüber der Bank:
man kann gegenüber der Bank einfordern, dass sie Überweisungen im eigenen Namen durchführt oder den Gegenwert als Bargeld auszahlt.

In unserem Beispiel ändert sich die Summe der Bilanz nicht, aber es werden Einträge auf der Passivseite verschoben, wie die folgende Grafik illustriert (die Flächen in grau stehen für andere Einträge der Bilanz, die von der Überweisung nicht berührt werden).



Überweisungen zwischen Banken

Betrachten wir ein zweites Beispiel: Frau Bartel will 500# an Herrn Cuhn überweisen, der sein Konto bei der Ersten Exemplarischen Bank EE führt.

Die Überweisungsdaten werden in einem Rechenzentrum der Bank BB, bei der Frau Bartel Kundin ist, verarbeitet. Dort kann in der Tabelle mit den Kontoständen 500# von Frau Bartels Konto abgezogen werden.



Aber die Bank BB kann die 500# nicht direkt auf das Konto von Herrn Cuhn gutschreiben, da dessen Kontostand von der Bank EE verwaltet wird. Also kontaktiert die Bank BB die Bank EE und informiert sie über die Überweisung. Nun kann Bank EE ihre Tabelle mit Kontoständen entsprechend anpassen.



Aber Moment! Jetzt hat Bank EE eine zusätzliche Verbindlichkeit, eine Schuld gegenüber Herrn Cuhn. Warum sollte sie diese Verbindlichkeit eingehen, wenn sie dafür nichts im Gegenzug erhält? Dieses Problem wird auch in den Bankbilanzen sichtbar. Wir haben gesehen, dass die Kontostände auf der Passivseite stehen, und die Passivseite von Bank BB schrumpft jetzt während die Passivseite von Bank EE wächst. Dabei ist die eherne Regel der Buchführung, dass Aktiva und Passiva die gleiche Summe ergeben müssen. Es muss einen Zahlungsausgleich zwischen Bank BB und Bank EE geben, um das Problem zu lösen.

Jede Bank hat ein Konto bei der Zentralbank, in Deutschland ist die Bankleitzahl gleichzeitig die Nummer dieses Kontos. Das Geld auf diesem Konto nennt man Zentralbankgeld oder Reserven,
und es wird für den Zahlungsausgleich verwendet. So wie die Banken eine Tabelle mit den Kontoständen ihrer Kunden verwalten, verwaltet die Zentralbank eine Tabelle mit den Zentralbankkontoständen der Banken. In unserem Beispiel weist Bank BB die Zentralbank an, 500# auf das Zentralbankkonto von Bank EE zu überweisen.



Die Reserven auf dem Zentralbankkonto sind Guthaben der Bank. Es sind also Vermögen, Forderungen gegenüber der Zentralbank, und deshalb stehen sie auf der Aktivseite der Bankbilanz. Jetzt können wir ein vollständiges Bild der Bankbilanzen vor und nach der Überweisung aufstellen:



Weil Überweisungen natürlich nicht nur in eine Richtung gehen, sondern in beide Richtungen zwischen zwei Banken, und kreuz und quer im gesamten Bankensystem, benötigen die Banken für den Zahlungsausgleich insgesamt weniger Reserven als die Summe aller verwalteten Kontostände. Wenn die Überweisungen doch einmal unausgeglichen sind und eine Bank in Gefahr gerät, zu wenige Reserven zu haben, um die Überweisungen abzudecken, dann muss sie sich refinanzieren. In der Regel geschieht das, indem sie sich die Reserven von einer anderen Bank ausleiht. Die Details sind aber ein Thema für einen anderen Artikel, und den Zusammenhang zu Geldpolitik und Leitzins habe ich bereits in einem Artikel angerissen.

Clearingstellen

Ich will fair sein: die Darstellung oben ist in ihren Grundprinzipien korrekt, die tatsächlichen Details sehen in der Praxis aber etwas anders aus. Täglich werden Millionen von Überweisungen in Auftrag gegeben, und es wird nicht für jede Überweisung einzeln Zentralbankgeld überwiesen. Stattdessen werden alle Überweisungen täglich in einer Clearingstelle gesammelt.

Am Ende des Tages werden alle Überweisungen gegen gerechnet. Dabei wird festgestellt, welche Banken insgesamt wie viele Reserven bezahlen müssen, und welche Banken Reserven erhalten. Wenn an einem Tag Überweisungen in der Höhe von 183 Mio. # von Konten der Bank BB auf Konten bei anderen Banken in Auftrag gegeben wurden, und umgekehrt Überweisungen in der Höhe von 175 Mio. # von Konten bei anderen Banken auf Konten bei der Bank BB in Auftrag gegeben wurden, dann muss die Bank BB lediglich 8 Mio. # an Reserven in das Clearingsystem zahlen, und alle Überweisungen des Tages können auf einen Schlag ausgeführt werden.

Es ist gut, dies im Hinterkopf zu behalten. Durch die Clearingstellen werden Schwankungen im Tagesverlauf geglättet, und so wird die Höhe der für den Zahlungsausgleich nötigen Reserven
weiter reduziert. Für die meisten Überlegungen kann man die Clearingstellen aber getrost ignorieren.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der erste Artikel zu dem Thema, den ich wirklich verstanden habe ... :)

Was ich jetzt noch vermisse, wären Artikel zu:

1. Wie funktionieren internationale Überweisungen (ohne gemeinsame Zentralbank) ?

2. Wie funktionieren Überweisungen zwischen EURO-Staaten (mit mehreren Zentralbanken und EZB) ?

Nicolai Hähnle hat gesagt…

Danke für das Lob :)

Beides gute Themen, ganz kurz:

1. Die genauen institutionellen Details kenne ich nicht. Aber im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass die Banken (zumindest große Banken) Konten bei verschiedenen Zentralbanken in verschiedenen Währungen unterhalten. Deine Bank in Deutschland unterhält womöglich ein Konto bei der Fed in den USA, und wenn du von deinem Konto etwas in die USA überweist, dann überweist deine Bank einer Bank in den USA eben Zentralbankgeld auf der Ebene der Fed. Es sind wiederum komplett getrennte Geldkreisläufe: ein Zentralbankgeld-Kreislauf in Euro bei der EZB/dem Eurosystem, und ein Zentralbankgeld-Kreislauf in USD bei der Fed. Geld kann nie von einem System ins andere gelangen, und trotzdem sind die Systeme gekoppelt - Induktion ist eine gute Analogie aus der Physik.

2. Im Grunde genauso wie in einem normalen Währungssystem auch. Einziges technisches Detail ist, dass die Ungleichgewichte in Zahlungen zwischen nationalen Zentralbanken in den Bilanzen als die sogenannten Targetsalden aufgelistet werden. Wenn in ein Land mehr Geld hinein- als hinausfließt, dann baut es Targetforderungen auf. Damit diese abgebaut werden können, muss mehr Geld aus dem Land hinausfließen. Darüber kursieren aber in der Tat so viele Missverständnisse, dass das wirklich einen Artikel wert wäre.

Anonym hat gesagt…

Klar - einfach - verständlich ;) TOP!

monkeyking hat gesagt…

Danke dass du dir die Mühe gemacht hast das mal verständlich darzulegen.