Es sind krasse Parallelwelten, die sich in Folge der Finanzkrise in Europa aufgebaut haben. Letzte Woche wurde in den Tagesthemen kommentiert, die Griechen sollten doch bitte beim gestrigen Referendum mit Ja stimmen. Die Logik des Kommentators: Dann gebe es ein Ende (der Syriza-Regierung) mit Schrecken, statt einem Schrecken (stockende Verhandlungen) ohne Ende.
Dabei erleben die Griechen den Schrecken (Rezession) ohne Ende schon seit mehreren Jahren. Folgerichtig haben sie mit deutlicher Mehrheit Nein gesagt zu den Forderungen der Gläubigern. Womöglich ist damit ein Ende (Grexit) mit Schrecken eingeleitet - so sieht es in der Welt aus, in der ich lebe, und die sich offenbar deutlich von der jenes Kommentators unterscheidet.
Der Kommentator und ich verwenden die gleiche Redensart - "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" - und drücken damit vollkommen gegensätzliche Meinungen aus.
Das macht mir schon länger Sorgen. Denn wie überlegen haben wir uns gefühlt, als vor über 10 Jahren in den USA das öffentlich-mediale Narrativ aus dem Ruder gelaufen ist und so den Irakkrieg ermöglicht hat! Und nun passiert bei uns etwas ganz ähnliches (nur dass es wenigstens nicht in einem Krieg, sondern "nur" in der ewigen Rezession einer Volkswirtschaft durch Austeritätspolitik mündet)!
Von daher: Ganz unabhängig davon, wie es mit dem Euro weitergeht, von mir ein "Vielen Dank, ihr Griechen!" aus tiefster Seele. Denn die Griechen haben mit ihrem Mut und ihrer Standfestigkeit eine Politik gestärkt, die Europa zur Auseinandersetzung mit den blinden Flecken seiner Eliten zwingt. Die Chancen stehen besser denn je, dass wir die Parallelwelten, in denen wir leben, aufbrechen und wieder gemeinsam zur Vernunft finden können.
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