Sonntag, Februar 14, 2010

Denkblockaden und institutioneller Pessimismus

Seit ein paar Tagen beobachte ich nun die in den Zeitungen hochkochende, wenig überraschende (aber zum Teil doch überraschend scharfe) Empörung über die wenig überraschende Entgleisung des Sprachrohrs deutscher Egoisten, die ebenso wenig überraschende Empörung über die Empörung und so weiter, und da dachte ich mir, ich könnte doch zur allgemeinen Empörung noch etwas beitragen. Denn die Form der aktuellen Debatte ist symptomatisch für die Probleme der Politik.

Worum geht es denn überhaupt? Einerseits geht es um Respekt und Mitgefühl für sozial schwach gestellte. Westerwelle fehlt jeglicher Respekt, ja er wirft, wahrscheinlich ganz bewusst, weiter Brennstoff in die Flammen derer, für die Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger insgeheim nur noch Untermenschen sind. Ja, ich übertreibe, aber man sollte sich klar machen, dass man in vielen Dingen mit Mitgefühl meist bessere Problemlösungen findet als mit Vorurteilen - und meine Vermutung ist, dass dies auch hier der Fall ist. Niemand erwartet eine solche Einsicht von der FDP, aber auch in den sogenannten christlichen Parteien scheint das von vielen vergessen worden zu sein.

Die Opposition schlägt munter in diese Kerbe, weil das nunmal eine einfache (und durchaus auch wichtige) Reaktion ist. Leider manövriert sie sich dadurch in eine typische Falle: sie überlässt die Kontrolle der Debatte dem politischen Gegner.

Denn es geht in der Debatte ja zum großen Teil um das Lohnabstandsgebot - und hier wird es für den außenstehenden Beobachter so richtig faszinierend. Ein Abstand wird ja immer zwischen zwei Dingen gemessen, in diesem Fall zwischen den Sozialleistungen am unteren, und einem regulären Vollzeitverdienst am oberen Ende. Will man also über das Lohnabstandsgebot reden, müsste man über beide Enden reden. Das Gros der Artikel in der jetzigen Debatte übersieht oder ignoriert das obere Ende jedoch völlig und beschäftigt sich nur mit dem unteren Ende. Natürlich gibt es lobenswerte Ausnahmen, aber die Tendenz ist klar einseitig. Für die Regierungskoalition ist das sehr praktisch, denn so muss sie sich unangenehmen Fragen nicht ernsthaft stellen.

Gekoppelt sind diese Scheuklappen an einen alles durchdringenden Pessimismus. Da ja sowieso alles den Bach heruntergehen wird ist der Blick nach unten gerichtet. Damit sind die psychologischen Voraussetzung für eine vollkommen unnötige Abwärtsspirale geschaffen. Was wir bräuchten wäre die Bereitschaft zum "unternehmerischen" Handeln auf volkswirtschaftlicher Ebene. Denn wenn der Blick erst einmal nach oben gerichtet ist, zum Beispiel im Fall Lohnabstandsgebot, eröffnen sich Wege, die Dinge weiter nach oben zu bringen - der Mindestlohn ist dabei nur ein möglicher Anfang. Wie der Weg nach oben dann genau aussehen kann bedarf natürlich der Diskussion. Aber zur Zeit findet diese Diskussion erst gar nicht statt. Letztendlich liegt das nur an den selbstverschuldeten Denkblockaden unserer Politiker.

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