Mittwoch, Januar 02, 2008

Houston und Washington

Jetzt, wo sich Amerikaner und Deutsche wieder darin einig sind, wie die Jahreszahl geschrieben wird, komme ich ein bißchen zum Nachholen...

Unser Aufenthalt in New Orleans endete am Sonntag mit einem frühmorgendlichen Trip zur kombinierten Amtrak/Greyhound-Station. Die nächsten acht Stunden verbrachten wir in einem vollen Reisebus nach Houston, und während Sebastian offenbar den größten Teil der Zeit am Fenster geschlafen hat habe ich "The Swarm" (von Arthur Herzog, nicht Frank Schätzing) gelesen und mit viel Augenrollen die Eskapaden unserer Mitreisenden verdrängt. Auf der ganzen Fahrt hatten wir zwei längere Aufenthalte, bei denen jeweils alle Passagiere den Bus verlassen sollte. Etwa eine halbe Stunde nach der ersten dieser längeren Pausen in Baton Rouge fragte mich einer der konfusen Leute hinter uns, ob unser Bus nach Memphis fahren würde. Dass man bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel manchmal umsteigen muss war wohl eine Neuigkeit für meine Mitreisenden, die sich auch sonst eher auf dem geistigen Niveau von Halbstarken befanden. Eine Freundin der beiden besuchte sie ungefähr stündlich, um sich von einem von ihnen zwicken zu lassen und sich dann lautstark darüber zu beschweren. Eben alles wie zu Hause, nur dass die Qual hier länger dauert.

In Houston übernachteten wir in einem Motel in europäischer Gehentfernung vom Johnson Space Center, das wir am Heiligabend besucht haben. Das Besucherzentrum wirkt auf den ersten Blick wie ein überdimensionierter Kinderspielplatz, aber wenn man diesen Aspekt wegabstrahiert bleibt ein sehr interessantes Museum mit diversen Originalen aus der Frühzeit der NASA, darunter die ziemlich verkohlte Kapsel von Apollo 17 und der berühmte, MacGyver in den Schatten stellende Luftfilter von Apollo 13. Der Höhepunkt des Besuchs im Space Center ist natürlich die Tram Tour über das Gelände der NASA. Auf dieser Tour kamen wir unter anderem in den alten Mission Control Room. Dorthin muss man ganze 87 (in Worten: siebenundachtzig!) Stufen hinaufsteigen, vor denen uns der (Tour-)Führer wieder und wieder sehr zu unserer Erheiterung gewarnt hat. Nachdem das Mondprogramm vorzeitig aus Geldgründen eingestellt wurde, hat die NASA das bereits vorhandene Material für das Skylab verwendet. Eine Saturn V ist trotzdem noch übriggeblieben, und an dieser gigantischen, flachgelegten Rakete entlangzulaufen war sicherlich der beeindruckendste Moment im Space Center. Aber man kann dort auch andere Dinge lernen. So lobpreiste ein Australier, mit dem wir uns in einer der Warteschlangen unterhalten haben, die "German ruthless efficiency", die er in Berlin kennengelernt hat.

Das Schöne am Mondprogramm ist, dass es bewiesen hat, dass monumentale und erfolgreiche technische Projekte aus öffentlicher Hand nicht nur im Militär stattfinden müssen, sondern auch im zivilen Bereich möglich sind. Es kommt eben hauptsächlich aufs Geld an - und da kommt die ernüchterndere Erkenntnis, dass signifikante Etats für solche Projekte wohl nur durchs Heraufbeschwören eines Feindes (ob real, imaginär oder komplex) zu bekommen sind.

Da öffentliche Verkehrsmittel im Großraum Houston allem Anschein nach nicht ernst genommen werden sind wir am nächstem Morgen mit einem Flughafenshuttle zu George Bush (dem Älteren; aber es gibt trotz allem auch noch genügend Texaner, die auf den Jüngeren stolz sind) gefahren. Etwa eine Viertelstunde zu früh in Philadelphia angekommen mussten wir feststellen, dass unser Anschlussflug nach Baltimore/Washington gestrichen wurde, laut dem Menschen am Schalter aus "Operational blahblah, no idea what that means"-Gründen. Böse Zungen würden behaupten, um den nachfolgenden und letzten Flug in diese Richtung besser auszulasten; nettere Zungen gehen natürlich von ernsthaften Sicherheitsbedenken am Flugzeug aus. Jedenfalls sind wir drei Stunden später als geplant in Washington angekommen.

Bereits auf dem recht langen Weg vom Flughafen ins Stadtzentrum haben wir uns darüber gefreut, endlich wieder in der Zivilisation angekommen zu sein, wo U-Bahnen und Busse vorhanden und ausgeschildert sind. Lediglich die Tatsache, dass an der Greenbelt Station die Erklärungen zum Tarifsystem erst hinter den Schranken, deren Passieren ein Ticket erfordert, zu finden waren, hat mich etwas geärgert. Ohne dieses Hindernis hätten wir die richtige Wochenkarte früher kaufen können (es gibt zwei verschiedene, deren genaue Funktionsweise am Fahrkartenautomat natürlich nicht hinreichend erklärt wird).

Die Metro, wie die U-Bahn in Washington genannt wird, ist übrigens selbst einen Blick wert. Die Stationen wirken sehr retrofuturistisch und sollen wohl die Bedeutung Washingtons auch noch im Untergrund hervorheben. Jedenfalls bestehen sie im Gegensatz U-Bahn-Stationen anderer Städte nicht aus einem minimalistischen Netzwerk aus kleinen Tunneln, sondern vielmehr aus einem gigantischen Tunnel, in den ein Bahnhof hineingebaut wurde, der im wesentlichen oberirdischen Designs folgt. So entstehen die mit Abstand bombastischsten Stationen, die ich je gesehen habe.

Die ersten zwei Nächte haben wir in der Internationalen Jugendherberge nur eine handvoll Blocks vom Weißen Haus verbracht. Für die darauffolgenden drei Nächte mussten wir dann allerdings in ein Hotel etwas weiter außerhalb umziehen.

Aus touristischer Sicht ist Washington angenehm skalierbar. Wer sich nur von den Monumenten beeindrucken lassen und vielleicht einen Blick in die wichtigsten Gebäude werfen will, kommt in zwei Tagen durch. Auf der anderen Seite reihen sich an der National Mall auf der Hauptachse zwischen Kapitol und Lincoln Memorial die Museen der Smithsonian Institution, die keinen Eintritt verlangen - und wenn man sich alle Ausstellungen hier genauer ansehen will, reichen wahrscheinlich selbst zwei Wochen nicht aus. Eine gewisse Toleranz gegenüber inflationären Sicherheitskontrollen muss man natürlich auch mitbringen.

Das Weiße Haus ist ohne "reservations through your member of congress" leider nicht besuchbar, aber ins Kapitol kommt man, wenn man sich vor halb 9 morgens in die lange Schlange stellt um Tickets zu holen, also haben wir das natürlich getan. Wir haben auch dem Supreme Court und der Library of Congress einen Besuch abgestattet, bevor wir uns letztere nochmal im Kino angesehen haben. Und wir haben uns natürlich durch Museen geschlängelt, neben dem National Museum of the American Indian hauptsächlich durchs National Air and Space Museum.

Als wir dort gerade einen übriggebliebenen Mondlander betrachteten wurde ich plötzlich von jemandem angehauen. Da stand doch tatsächlich Areum neben mir, Lisset und Theresias Mitbewohnerin aus Südkorea. Wie's der Teufel so will ist sie am Vortag in Washington angekommen. Da sie aber auf der Suche nach Essen war und wir gerade von selbigem gekommen waren haben sich unsere Wege auch bald wieder getrennt. Die Welt ist so weit und doch so klein.

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