Ich habe mich seit einiger Zeit ziemlich eingelebt hier in Norman. Anders formuliert, hier zu leben ist für mich inzwischen normal. Natürlich ist nach wie vor viel geboten: Nachdem ich zwei Wochen mit Fieber gekämpft habe war ich letztes Wochenende mit ein paar anderen Internationals in und um Tulsa unterwegs, und morgen geht es zum Red River Shootout nach Dallas, TX. Aber das ist ein andere Geschichte, die ich ein andermal erzählen werde.
Apartmentparties gibt es hier zur Genüge, aber ein bißchen weniger als letztes Jahr sind es wohl, berichten zumindest alte Hasen wie Aissata aus Mali. In der Hinsicht hat sich die Strategie der Verwaltung ausgezahlt, viele der Austauschstudenten in den Kraettli Apartments unterzubringen und die Internationals-Dichte so zu reduzieren. Nun sind diese Apartments nicht wirklich grausam, sondern - abgesehen von der unangenehmen Tatsache, dass sich hier zwei Studenten ein Zimmer teilen, der Begriff Roommate also wirklich wörtlich zu nehmen ist - durchaus mit einem Studentenwohnheim wie dem Vogeliusweg vergleichbar. Aber wenn man diese Apartments direkt neben Traditions Square stellt ist es kein Wunder, dass Kraettli liebevoll "The Ghetto" genannt wird. Immerhin ist die Miete für Austauschstudenten dort mit 65$ im Monat wirklich spottbillig.
Über die Apartmentparties werde ich sicher auch noch berichten, aber vorher wird es Zeit, euch Lesern eine Vorstellung davon zu vermitteln, wo ich hier eigentlich bin. Keine Angst, ich werde euch noch nicht durch Fotos erfreuen, aber als ersten Vorgeschmack gibt es eine Landkarte mit Anmerkungen. Ich sollte vielleicht anmerken, dass der Campus viel grüner ist als auf den veralteten Satellitenbildern.
Im Laufe der Zeit werde ich die Karte sicher noch ergänzen, aber ich wünsche euch schon einmal viel Spaß beim Erkunden. Einer der Punkte auf der Landkarte verdient ein paar zusätzliche Bemerkungen.
Das Physical Sciences Center ist das Gebäude, in dem alle meine Vorlesungen stattfinden. Die beiden 4000er-Kurse finden im fensterlosen, tiefgekühlten Erdgeschoss statt, die beiden Graduate Level-Kurse im 8. Stock im Turm des Gebäudes. Im Gegensatz zu den ersten vier Stockwerken gibt es dort zwar Fenster, aber da der Seminarraum schlauerweise ins Turminnere gebaut wurde ist er auch fensterlos. Lediglich das Pizza Seminar, zu dem ich regelmässig gehe, findet ganz oben im 11. Stock in einem Raum statt, der einen tollen Blick auf den Campus bietet.
Das Physical Sciences Center ist ein fahler Betonblock - mit Abstand das hässlichste Gebäude auf dem Campus. Seine Form hat ihm den Spitznamen "Blender" eingebracht, aber dank Fenstermangel bevorzuge ich den Begriff "Bunker". Es ranken sich eine Menge Legenden um dieses Gebäude, das Anfang der 1970er-Jahre gebaut wurde. Angeblich hatte man - typisch Amerikaner - Angst. Nicht vor Terroristen, denn die waren damals noch nicht "in", und auch nicht vor Commies, denn die waren zum Glück weit weg, sondern vor randalierenden protestierenden Studierenden (Deutsch ist schon eine tolle Sprache!). Dementsprechend wurde das Gebäude so eingerichtet, dass die wichtigen Büros leicht abgeschirmt werden können und niemand etwa durch Einschlagen einer Fensterscheibe in einen Bereich kommen kann, in den er nicht gehört. Ich habe keine Ahnung, wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt, aber wenn sie falsch ist, so ist sie doch gut erfunden.
Eine andere Geschichte, deren Wahrheitsgehalt sicherlich höher ist, zeugt von guten Intentionen und grauenvoll mangelhafter Umsetzung. Der damalige Department Chair der Mathematik - ich vergaß den Namen - war zwar als Mathematiker wenig einflussreich, hatte aber anscheinend viele Ideen, was die Lehre der Mathematik anbelangte. Er war an der Planung des Gebäudes beteiligt und wünschte sich einen Dachgarten auf dem vierten Stock des Gebäudes (die Basis des Gebäudes geht nur bis zum vierten Stock; der darauf aufsetzende Turm hat eine wesentlich kleinere Grundfläche - auf den Satellitenbildern kann man das erkennen). In dem Dachgarten sollten Professoren und Graduate Students der Mathematik in angenehmer Atmosphäre an Problemen arbeiten oder einfach ihren Gedanken nachhängen können. Natürlich war dem Menschen klar, dass Mathematiker oft schriftlich denken, und Papier ist in einem Dachgarten bei Wind etwas problematisch. Also sollten in dem Dachgarten Glastische mit Markern installiert werden. Schade, dass daraus trotz Sputnik-Geldern nichts geworden ist...
Donnerstag, Oktober 04, 2007
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