Eigentlich wollte ich in diesem Blog mit Kommentaren zur Politik in den USA sparsam umgehen und nur über meine persönlichen Erfahrungen in diesem Land berichten. Aber wenn einem so der Kragen platzt wie vorgestern abend beim Blick in die Fernsehnachrichten, dann gehört das wohl zur persönlichen Erfahrung dazu.
Vor einem guten Monat war das heiße Thema in den Nachrichten hier der Bericht von General Petraeus über die Lage im Irak. Nun ist es so, dass eine große Mehrheit der Amerikaner extrem militärgläubig ist. Zumindest würde man, um das mal in ein Verhältnis zu setzen, bei uns kaum eine Gruppe Soldaten mit Fahnen an den Rand eines Fußballfelds stellen (natürlich ist Deutschland in die andere Richtung extrem, aber ich stehe dazu, dass man Menschen mit Waffen erstmal misstrauen sollte).
Das bleibt im politischen Diskurs nicht folgenlos. Die härtesten Kriegsgegner betonen stets "We support our troops", denn wer auch nur andeutet, dass das Militär selbst von Natur aus ein Teil des Problem sein könnte, wird medial gelyncht.
Einige Amerikaner denken aber auch, dass genau dieser Glaube ans Militär gerne von der Regierung missbraucht werde. Schließlich könne man in einer Zeit, in der klar wird, dass Bush als unbeliebtester Präsident der Geschichte aus dem Amt scheiden wird, ein bißchen Glaubwürdigkeit gut gebrauchen. Sie verweisen dabei darauf, dass die selbe Strategie vor nicht allzu langer Zeit schon einmal verwendet wurde, als Colin Powell versucht hat, die UN von einer Invasion im Irak zu überzeugen. Damals hat offensichtlich Powells militärischer Hintergrund wesentlich dazu beigetragen, dass die Mehrheit der amerikanischen Medien und Bevölkerung seine Aussagen für bare Münze gehalten hat. Denn wer würde schon die Aussagen eines (Ex-)Militärs in Frage stellen?
Dieser und ähnlicher Kritik hat eine NGO ein Sprachrohr verschafft, indem sie General Petraeus mit einer Anzeige in der New York Times kritisiert hat. Die Reaktion der Medien darauf war unvorstellbar. Ohne überhaupt auf die Anzeige einzugehen wurde sie als "widerlich und verwerflich" bezeichnet - einfach nur auf der Basis, dass darin ein General kritisiert wurde. Noch viel bizarrer ist, dass der US-Senat die Anzeige in einer Abstimmung verurteilt hat. Man kann von der Anzeige halten, was man will, aber eine solche Handlung der Legislative in einem vorgeblich demokratischen Land sollte einem zu denken geben. Immerhin gibt es auch Amerikaner, die einen etwas vernünftigeren Blick auf die ganze Angelegenheit haben.
Nun kann man sich als Ausländer denken, die Amerikaner sind halt einfach ein merkwürdiges Völkchen, und mental davon Notiz nehmen, dass man bei Kritik am Militär Amerikanern gegenüber etwas vorsichtiger sein sollte. Aber dann kommt General Sanchez und kritisiert öffentlich die ganze Situation im Irak und überhaupt. Mit dem frisch erworbenen USA-Wissen würde man meinen, dass man nun in sich geht und fragt, wie es dazu kommt, dass ein General sowas sagt.
Aber nein, das ist nicht, was in diesem politisch so verlogenen Land passiert. Die selben Kommentatoren, die die Kritik an General Petraeus so heftig verurteilt haben ohne auf Argumente einzugehen, werfen jetzt diesem anderen General vor, er sei selbst für die Situation verantwortlich und überhaupt sei er irgendwie ein Spinner. Davon, dass das, was General Sanchez inhaltlich gesagt hat, vielleicht in die Politik einfließen sollte, ist nichts zu hören. Nicht ein Wort.
Ich bin froh, dass ich kein Amerikaner bin. Ich weiß nicht, wie ich dieses Affentheater aushalten würde.
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