Dienstag, Oktober 09, 2007

We are glad to help in your community

Nicht selten offenbart sich ein System ganz besonders dadurch, wie es mit Krisen umgeht, in diesem Fall mit dem Amoklauf eines Polizisten in Wisconsin. Erschreckend wie der Fall ist möchte ich doch nur auf einen nebensächlich wirkenden Aspekt hinweisen, der jedoch einiges über das politische System der USA durchblicken lässt.

Auf einen Europäer wirkt äußerst seltsam, dass es in den USA nicht eine einheitliche Polizei gibt, oder eine einheitliche Polizei pro Bundesstaat, sondern eine Polizei für jede Milchkanne, wie man in Analogie zu gewissen Nahverkehrsstrecken bei uns vielleicht sagen könnte. Dominik, einer von uns Austauschstudenten, hatte schon interessante Erfahrungen damit, als er eines abends sein Fahrrad nicht gestohlen, sondern an ein anderes, ihm fremdes Fahrrad angekettet vorfand und daraufhin einem Polizeiauto zuwinkte. Der Polizist in selbigem zeigte sich durchaus freundlich, war aber leider vom Norman Police Department - und der Ort, an dem die Fahrräder standen, fiel in den Zuständigkeitsbereich des OU Police Departments. Kurze Zeit später hatte sich dann nicht nur die Zahl der Fahrräder, sondern auch die Zahl der Polizeiautos vor Ort verdoppelt. Das klingt aus unserer Sicht skurril, aber so funktioniert das hier eben: dezentraler geht es kaum. (Dominik wurde dann übrigens von dem OU-Polizisten im zweiten Polizeiauto nach Hause gefahren, und am nächsten Tag war das zusätzliche Fahrrad von alleine verschwunden.)

Damit zurück zur ursprünglichen Geschichte. Gestern wurde auf CNN eine Presseerklärung des Attorney General von Wisconsin übertragen, in der dieser die Fakten des Amoklaufs nüchtern vorgetragen hat. Ich habe die Sendung nicht online finden können, was schade ist, da ein großer Teil aus Erklärungen bestand, welche Polizei- oder Justizbehörde auf welche Weise an dem Fall beteiligt war bzw. hinzugezogen wurde. Als den örtlichen Polizisten klar wurde, dass sie es hier mit einem der ihren zu tun hatten, haben sie das Department of Justice um "Assistance" gebeten, so die wörtliche Formulierung. Aus der Wortwahl ging hervor, dass trotz der offensichtlichen möglichen persönlichen Verstrickungen die Verantwortung nach wie vor bei der örtlichen Polizei lag und die Behörden auf Bundesstaatsebene zunächst gar nicht das Recht hatten, einzugreifen. Erst durch die Entscheidung des Sheriffs, die Angelegenheit zu übergeben - der Attorney General hat dies ganz ausdrücklich und öffentlich im Fernsehen als "verantwortungsbewußte Entscheidung" gelobt - hat sich das geändert.

Gleichzeitig hat der Attorney General mit schöner Regelmässigkeit betont, dass das Department of Justice in diesem Fall die "local community" unterstützt und den Leuten vor Ort zur Seite steht und nicht etwa einfach so von oben herab kommt. Uns wurde vor Jahren im Sozialkundeunterricht immer wieder vom Prinzip der Subsidiarität vorgepredigt, aber hier wird dieses Prinzip tatsächlich gelebt - und das ist womöglich die zentrale Erkenntnis, die man benötigt, um viele der politischen und gesellschaftlichen Merkwürdigkeiten hier zu verstehen.

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