Mittwoch, Dezember 05, 2007

Die Wiege der Freiheit

Es kann nicht sein, dass man zwei Mal, und dann auch noch so lange, in den USA ist, ohne nach New England gekommen zu sein. Also habe ich, da die Finals vor der Tür stehen auf eigene Faust, vor einiger Zeit einen Trip nach Boston gebucht. Am Samstagmorgen, viel zu früh für vernünftige Menschen, hat Alexis mich an den Flughafen gefahren, zusammen mit Dany, der allerdings ein anderes Ziel im Sinn hatte. Ganze 35 Minuten vor dem Abflug habe ich eingecheckt. Da der Flughafen von Oklahoma City schön klein ist und die Schlange an den Sicherheitskontrollen kurz war war das kein Problem, aber trotzdem halte ich's beim nächsten Mal lieber nicht so knapp. Das Umsteigen in Minneapolis war auch nochmal eher hektisch, aber am Ende bin ich wohlbehalten bei eiskaltem, aber klaren Wetter in Boston angekommen.

Der Flughafen dort ist irritierend ausgeschildert, aber ich habe den Bus ins Stadtinnere, der sich übrigens auf halber Strecke in eine Pseudo-U-Bahn verwandelt, letztendlich gefunden. Als erstes bin ich nach Cambridge gefahren und bin dort über den Campus von Harvard und durch das umherliegende Viertel geschlendert. Zu dieser Jahreszeit sind viele der Bäume schon kahl, die anderen strahlen dagegen im satten Rot oder Braun, selten auch mal Gelb. Was die Botanik anbelangt putzt sich die University of Oklahoma deutlich schöner heraus als Harvard. Dafür sind die Gebäude von Harvard wirklich altehrwürdige Ziegelbauten und tun nicht nur so.

Richtig voll mit Leben ist der Harvard Square, wo ein Café, Restaurant oder Laden neben dem nächsten steht. Trotz frierenden Füßen und Händen waren hier auch offenbar noch Filmstudenten am Werk, und mit zwei Greenpeace-Werbern, die schon über sechs Stunden in der Kälte gestanden hatten, habe ich mich köstlich darüber unterhalten, dass es bei solchen Minusgraden besonders schwierig sein kann, den Leuten klarzumachen, dass Global Warming Realität ist. Es war schon dunkel, als ich in Dunkin' Donuts, einer wie sich später herausgestellt hat für Boston typischen Kette, eine heiße Schokolade getrunken hatte.

Also bin ich ins Stadtinnere gefahren. Da ich den Bostontrip unter Einfluß von Denver gebucht habe und kein Hostel in Boston selbst mehr frei war hatte ich dort ein recht günstiges Hotel gebucht. Als ich dort ankam, war ich dann ziemlich baff, wie nobel alles dort aussah. Manch einer suchte den Exzess in Las Vegas, mich hat er in Boston überrumpelt.

Auf der Suche nach Essen bin ich einen Block weiter zum Boston Common, einem Park, der traditionell als Zentrum des Lebens in Boston diente, gelaufen. Der Park ist recht groß und hat entgegen meinen Vermutungen nur an einer Seite erschwingliches Essen zu bieten. In einem McDonald's habe ich dann immerhin mehr als nur Bauchfüllung gefunden und mich mit drei Au-Pair-Mädels aus nicht ganz allen Teilen Deutschlands unterhalten.

Den gesamten Sonntag habe ich damit verbracht, dem Freedom Trail zu folgen. Dieser unter anderem vom National Park Service unterhaltene Pfad führt quer durch Boston an Museen und historischen Stätten vorbei, zum Beispiel an der Faneuil Hall, die immer noch wie ursprünglich als Markthalle genutzt wird. In der Faneuil Hall wurde der Geschichte zufolge die Boston Tea Party geplant, eines der filmreiferen Ereignisse im Vorfeld des Unabhängigkeitskrieges. Auch Kirchen, Friedhöfe und ein überdimensioniertes Denkmal für eine Schlacht säumen den rot markierten Pfad durch die Stadt. In Charlestown, auf der anderen Seite des Charles River, befindet sich an dem Pfad das älteste immer noch, oder besser gesagt wieder, seetaugliche Kriegsschiff der Welt, das immerhin schon 210 Jahre auf dem Buckel hat. Obwohl ich nicht einmal in die Museen gegangen bin ging die Sonne mal wieder zu früh unter, weshalb ich den Pfad nicht mehr ganz zu Ende gelaufen bin.

Während ich dem Pfad gefolgt bin habe ich verstanden, warum Boston so sympathisch wirkt. Im Gegensatz zu allen anderen Städten, die ich in den letzten Monaten besucht habe, kann Boston auf eine echte, immerhin fast 400 Jahre lange Geschichte zurückblicken, die sich eben nicht nur in Form von Monumenten zeigt sondern auch darin, dass die Stadt wie eine richtige Stadt, die nicht einfach nur aus Schachbrettmustern besteht, gewachsen ist.

Als ich wieder in der Innenstadt war hat es angefangen zu schneien. Ich bin noch zum Prudential Center, einem großen Einkaufszentrum, gefahren und habe dort Au Bon Pain selbiges genossen, aber danach hat mich die Kälte doch von weiteren Ausflügen abgehalten.

Am nächsten Morgen hatte ich eigentlich vor, den Skywalk im 50. Stock des Prudential Center Towers zu besuchen, aber Boston hatte sich über Nacht in ein wolkiges Kleid gehüllt, was den Plan zunichte gemacht hat. Also bin ich nach einem kurzen Spaziergang über Copley Plaza und der Auskunft, dass der Eintritt in die angrenzende Trinity Church 5$ kosten würde, noch einmal nach Cambridge gefahren, diesmal um mir den Campus des MIT anzusehen.

Mit Ausnahme vom Hauptgebäude, das, abgesehen von den Inschriften, mehr einem Schloss als einer Universität glich, scheint am MIT Funktion generell vor Form zu gehen. Die Betonbauten erinnerten mich sehr an so manche im 20. Jahrhundert entstandene oder signifikant erweiterte Universität in Deutschland. Sympathisch ist auch die ungewöhnlich hohe Dichte von Differentialgleichungen auf der Kleidung der Menschen.

Wer hinreichend besonders ist, sollte damit nicht prahlen. Diese Maxime scheint am MIT und an Boston insgesamt nicht vorbeigegangen zu sein, was mir die Stadt noch ein Stückchen sympathischer gemacht hat. Nur eins von vielen Beispielen ist der vollkommen unscheinbare Friedhof in der Nähe des Boston Commons mit seinen mickrigen Grabsteinen. Auf einer Tafel fand ich im Kleingeschriebenen den Hinweis, dass auf dem Friedhof neben einigen Gouverneuren von Massachusetts auch drei Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung dort begraben liegen. Der einzige größere Brocken ist Benjamin Franklins Eltern gewidmet (er selbst ist in Philadelphia gestorben).

Am Montagnachmittag bin ich aus dem Schneegestöber ins MIT Museum geflüchtet, wo ich auf einem Modellhochhaus Tetris gespielt habe. Mit dem Spracherkennungssystem, mit dem man angeblich übers Wetter reden kann, hatte ich leider weniger Erfolg. Angeblich werden diese Dinger ja immer besser, aber zumindest am MIT habe ich davon nichts gesehen...

Und jetzt bin ich wieder zurück in Norman und blicke mit einem weinendem und einem lachenden Auge dem Ende meiner Zeit hier entgegen.

P.S.: Herzlichen Glückwunsch an Christoph und viel Erfolg in Kalifornien, wenn's soweit ist!

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