Ende letzter Woche fand in Fribourg (Vorsicht, Verwechslungsgefahr) der Schweizer Joint Operations Research Day statt, der trotz seines Namens höchstens mit Mathematik und Informatik, nicht aber mit Drogen zu tun hat. Organisiert von der Schweizer Vereinigung für Operations Research, die selbstverständlich stets auf die paritätische Sprachverteilung achtet, tummelten wir uns zwei Tage lang, eine dritte Sprache nutzend, auf bilingualem Terrain.
Auf dieser Zweitagung erzählten Forscher und Praktiker aus dem Gebiet des Operations Research über ihre Aktivitäten. Zum großen Teil war das eher unspannend, weil viele Vorträge einfach nur zum Xten Mal über eine IP- oder QP-Formulierung für Kaffeesatzleserei erzählten. Natürlich waren auch sehr schöne Vorträge zu genießen, zum Beispiel von Michael Bürgisser über eine Verbindung zwischen konvexer Optimierung und Machine Learning, genauer gesagt zum Hedge-Algorithmus, einer multiplikativen Update-Regel analog zum Weighted Majority Algorithmus.
Den Vogel abgeschossen haben zwei Figuren von IBM, die knallhart vor einem akademischen Publikum Vorträge mit "Management-Folien" durchgezogen haben. Vor dem Hintergrund von mit hunderten Worten vollgeschriebenen PowerPoint-Folien, die garantiert nie ein Mensch zuvor gelesen hatte, schwurbelten sie ihre Buzzwords durcheinander.
Das Einzige, was dabei an Botschaft durchgekommen ist, ist dass sie mit mathematischen Methoden die Einteilung ihrer Mitarbeiter auf Projekte verbessern wollen. Die inhumane Betrachtungsweise dieses legitimen Problems, die dabei durchschimmerte, übt eine gewisse soziopathische Faszination aus. Den Vortragenden ist das aber anscheinend gar nicht mehr aufgefallen, zumindest würde ich das aus der Frage- und Antwort-Session am Ende eines der Vorträge schließen. In solchen Momenten frage ich mich, ob ich nicht doch Soziologie hätte studieren sollen.
Legitim ist das geschilderte Problem insofern, als sich die beiden zwischen den Zeilen auch darüber beschwert haben, dass es für das Management schwierig ist zu wissen und zu verstehen, was IBM überhaupt weiß bzw. versteht. Wenn alle Vorträge auf Management-Ebene so aussehen wie diese Kostprobe, dann überrascht mich das wenig: solche Folien erstellt nur jemand, dem es nicht um Inhalte geht.
Insgesamt gehört dieses Phänomen wohl zu einer breiteren Strömung, die versucht, Intelligenz durch Business Intelligence zu ersetzen - so lange bis einer heult. Ich hoffe, dass dabei nicht zu viel kaputt geht.
Ich war jedenfalls sehr amüsiert angesichts dieser unfreiwillig selbstparodierenden Vorträge. Es lässt sich schwer in Worte fassen, wie bizarr diese Erfahrung war. Wer in Paderborn einmal eine Winfo-Vorlesung von Prof. Fischer besucht hat, kann sich vielleicht ein Bild davon machen.
Am Donnerstagabend waren wir zu einem opulenten Abendessen in Murten eingeladen, worüber wir erst hinterher murrten. Der Koch verstand zwar wohl sein Handwerk, nichts aber von gutem Geschmack. Ich würde jedenfalls jederzeit eine ordentliche Portion Rösti halbgekochten Aprikosen zum Fleisch vorziehen.
Ausgeglichen wurde das durch den soliden Riecher des Kochs der Uni-Mensa am Freitagmittag. Alles in allem war es eine sehr willkommene, amüsante, und nebenbei auch teils lehrreiche Ablenkung vom Alltag.
Montag, September 13, 2010
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